Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 22 = 3.F. Jg. 2 (1878))

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Literatur.

besonders interessant liegt die Kontroverse in Betreff der Nothwendigkeit
der Auflassung beim Erbschaftskauf. Wie in dem Aufsatz von Engels
(Seite 358 dieses Bandes) nachgewiesen ist, hielt früher die Mehrzahl
der Appellationsgerichte die Auflassung zum Eigenthumserwerb des
Käufers an Grundstücken nicht für nöthig. Diese Ansicht billigte auch
das Ober-Tribunal bei Entscheidung eines Prozesses (Band 80 Seite 261
der Entscheidungen). Es führte aus, durch den Erbschaftskauf werde
das Erbrecht selbst auf den Käufer übertragen.
Der Erbschaftskauf enthält somit nicht eine freiwillige Veräußerung
von Grundeigenthum, und fällt nicht unter die Tragweite des § 1
des Eigenthumserwerbsgesetzes.
Dabei wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß sich auch die Praxis der
Gerichtshöfe der gleichen Rechtsansicht nicht abgeneigt gezeigt habe, und
hierüber auf die im vierten Bande des Jahrbuchs Seite 72 mitgetheilte
Entscheidung des Kammergerichts verwiesen. Inzwischen hat jedoch das
Kammergericht seine Ansicht geändert (Band VI Seite 123) und ver-
langt die Auflassung zum Eigenlhumserwerb des Käufers. Dieser
letztern Ansicht schließt sich neuerdings auch das Appellationsgericht zu
Naumburg an (Band VII Seite 165), so daß jetzt die Mehrzahl der
Appellationsgerichte beim Erbschaftskauf die Auflassung für erforderlich
erachtet, also einen Akt verlangt, welcher den Interessenten Zeit und
Geld kostet, während das Ober-Tribunal juäioanäo denselben Akt für
überflüssig erklärt hat.
Wir könnten dieses Verzeichniß widersprechender Entscheidungen
noch weit ausdehnen. Es wird dadurch nicht allein bewiesen, daß sich
die Zahl der Kontroversen stetig vermehrt, sondern auch, daß die bereits
vorhandenen Kontroversen sich immer mehr festsetzen, indem das eine
Appellationsgericht diese, das andere jene Ansicht adoptirt. Die von
einigen Rednern des Landtages ausgesprochene Hoffnung, daß durch
communis opinio eine größere Konformität in den Streitfragen herbei-
geführt werde, hat sich bis jetzt nicht erfüllt und wird sich auch, wie
wir früher näher gezeigt haben, schwerlich erfüllen. Die Absicht des
Abgeordnetenhauses ist dahin gegangen, die Regierung bei Beseitigung
dieses Mißstandes zu unterstützen. Daß das Herrenhaus von einer
andern Anschauung ausgehen sollte, steht nicht zu fürchten. Kommt
das Organisationsgesetz zu Stande, so wird die Redaktion des Jahr-
buches sich sagen dürfen, daß sie die Anbahnung eines einheitlichen
Rechts auf dem Gebiete der nicht streitigen Gerichtsbarkeit wesentlich
gefördert hat. Wir hoffen, daß die Redaktion sich dann zunächst be-
rufen fühlt, das Jahrbuch zum Organ für die Publikation der Ent-
scheidungen sowohl des Oberlandesgerichts in Berlin, als der übrigen
Oberlandesgerichte zu machen. Es wird dann das bei Gründung des
Jahrbuches aufgestellte Ziel, dem Juristen und dem Laien die Kenntniß
des Rechtszustandes in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu er-
möglichen, in noch vollkommener Weise als jetzt zur Ausführung ge-
lingen. _ Rassow.

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