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Literatur.
solchen Rechtsakts nachträglich eine ex tune wirkende Dispensation erteilt
und werden damit die bereits eingetretenen Rechtswirkungen des die
Vornahme des Rechtsakts verbietenden Rechtssatzes beseitigt, so kann
dies, wie Hinschius zutreffend dargelegt hat, keinesfalls mehr als eine
rein negative Wirkung aufgefaßt werden, da ja hier durch die Dispen-
sation der an sich nichtige Rechtsakt nachträglich zu einem gültigen
erhoben wird. Es bleibt daher nur die Alternative, entweder mit
Hinschius anzunehmen, daß eine solche ex tune wirkende Dispensation
nicht als wirkliche Dispensation angesehen werden kann, oder aber, daß
die Dispensation nicht nur rein negativen Charakter hat. Welche von
beiden Auffassungen zutrifft, kann freilich hier im Rahmen einer Anzeige
nicht näher erörtert werden. Zu weit führen würde es auch, genauer
auf die Bedenken einzugehen, welche sich gegenüber den Ausführungen
des Vers, über das Verhältnis des Begriffs „Dispensation" zu den
Begriffen „Begnadigung" und „Steuererlaß" ergeben. Rur darauf soll
hingewiesen werden, daß die vom Vers, vertretene Auffassung, daß
die Begnadigung eine Unterart der Dispensation sei, für das deutsche
Staatsrecht doch schon an dem insbesondere von Laband geltend ge-
machten Einwande scheitern muß, daß die Begnadigung, wenn sie wirklich
eine Unterart der Dispensation wäre, nur ebenso wie die Dispensation
durch die für den Erlaß des betreffenden Gesetzes maßgebenden Faktoren
ausgeübt werden könnte, daß dann aber in betreff der auf Grund des
Reichsstrafgesetzbuchs verhängten Strafen keinesfalls die Landesherren
zur Ausübung des Begnadigungsrechts befugt sein würden, während
ihnen dieses Recht doch unstreitig zusteht. Wenn Vers, zur Entkräftung
dieses Einwandes ausführt, man habe bei Erlaß des Reichsstrafgesetz-
buchs nur den Zweck verfolgt, das deutsche Strafrecht zu vereinheitlichen,
nicht aber den, irgendwelche Rechte der Landesherren zu verkürzen, und
man müsse daher „einen stillschweigenden Vorbehalt des Begnadigungs-
rechts zugunsten der Landesherren annehmen," so erscheint es doch sehr
bedenklich, dem Gesetzgeber eine so grobe Vergeßlichkeit zuzutrauen, wie
es die Übergehung einer das Begnadigungsrecht der Landesherren auf-
rechterhaltenden Bestimmung wäre, wenn nämlich dieses Begnadigungs-
recht wirklich, wie Vers, meint, eine Unterart der Dispensation und
deshalb an sich von den für die Reichsgesetzgebung maßgebenden Faktoren
auszuüben wäre.
Fehlt es hiernach nicht an Bedenken gegen die im ersten Teile der
Abhandlung enthaltenen Ausführungen, so wird man um so mehr dem-
jenigen beitreten können, was Vers, im zweiten Teile sagt. In diesem
gelangt er, nach Darlegung der geschichtlichen Entwickelung der Theorien
über die Dispensationsgewalt und nach eingehender Würdigung der
verschiedenen, in der Gegenwart noch vertretenen Ansichten, dahin, sich
der von Hinschius aufgestellten, freilich nur kurz begründeten Auffassung
anzuschließen, daß die Dispensation ein Akt der Gesetzgebung ist. Auf
Grund dieses Ergebnisses zieht Vers mit Recht die Folgerung, daß
in denjenigen Staaten, in welchen keine ausdrücklichen, gesetzlichen Vor-
schriften über die Ausübung der Dispensationsgewalt gegeben sind, die