Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 49 (1905))

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Literatur.

schaftliche Leistung charakteristisch ist, gerecht zu werden. Köhler macht
es durch seine Vorrede dem Berichterstatter leicht, wenigstens darüber
Mitteilung zu machen, was er mit seinem Werke will. Er spricht es
zunächst nur als Zweifel aus, ob wir im Bürgerlichen Gesetzbuche nicht
ein Sympton altersgrauen alexandrinischen ausgetüftelten Wesens zu
erblicken haben, ein Werk der Spätzeit der Entwickelung, ein Werk
einer Periode, die .... in ausgeklügelter kleinlich schwerfälliger Weise
eine Entwickelung abschließt, von der aus kein Fortschritt und keine
Weiterbildung mehr möglich ist. . . . Am Schlüsse aber bezeichnet er
es als seine Zuversicht, trotz „der ausgeklügelten Form eines alexan-
drinischen Werkes werde das Gesetzbuch nicht abschließen, sondern neuen
Entwickelungen Raum geben". Und nach dieser Richtung habe er zu
arbeiten versucht, „unbekümmert um solche, welche einer greisenhaften
Fassung gern einen greisenhaften Inhalt geben und mit dem Bürger-
lichen Gesetzbuche die Rechtsentwickelung in Deutschland für immer zum
Abschlüsse bringen, unseren Werdegang zum Stillstände verurteilen möchten".
Ich gestehe, daß ich mich vergeblich bemüht habe, in der bisherigen
Literatur des B.G.B. bewußte oder unbewußte Vertreter dieses Still-
standsdogma zu finden, wie mir die Behauptung unrichtig scheint, daß
das so mannigfach auf Billigkeit, billiges Ermessen, Verkehrssitte ver-
weisende Gesetzbuch, dessen Berater so vielfach die erheblichsten Fragen
der Wissenschaft anheimgegeben haben, in Verkennung des immer neue
Verhältnisse erzeugenden Lebens von dem Wahne diktiert worden sei, es
könne das Recht der Weiterbildung entzogen werden.
Meinen ganzen Beifall hat, was die Vorrede darüber sagt, daß
die wissenschaftliche Behandlung sich nicht in öde Kasuistik ohne ver-
tiefende Zergliederung der Rechtsverhältnisse verlieren und daß sie nicht
mit Begriffen ohne Rücksicht auf den praktischen Erfolg operieren dürfe.
Aber auch diese Sätze scheinen mir nicht neu und nicht im Gegensätze
zu der Methode moderner Jurisprudenz zu stehen.
Daß dieser erste Halbband uns sichere Ergebnisse einer Weiter-
bildung des Rechtes vorführt, habe ich nicht erkennen können. Das
Buch soll ja auch ein Lehrbuch des geltenden Rechtes sein, will dies
also nur als weiter bildungsfähig behandeln. Unter den Buchüber-
schriften: Rechtsnormen, Rechtsleben und Faktoren des subjektiven Rechtes,
werden erhebliche Abschnitte aus dem Allgemeinen Teile und dem Ein-
führungsgesetze zum BGB. abgehandelt.
Bei einem Werke Köhlers ist man immer sicher, einem übersprudelnden
Reichtums von Gedanken zu begegnen, die anregend neu oder in neuem
Zusammenhang an den Leser herantreten. Aber was so geboten wird,
läßt nicht immer den Eindruck sicher gewonnener Bereicherung zurück.
Was der Verf. anregt, wird nicht immer durchgeführt, und der Leser,
zumal wenn er dem Lehrbuch als lernbegieriger Schüler gegenübertritt,
wird manches Mal das gewünschte sichere Ergebnis volltönender Allge-
meinheiten, das er sich aneignen möchte, nicht finden. Ob danach ge-
rade der junge Jurist in dem Buche eine förderliche Einführung in den
zu lehrenden Stoff finden wird, ist mir zweifelhaft. Der Reifere wird

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