Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 49 (1905))

Erbeinsetzungsvertrag (gern. 3t.).

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geführt ist, nur festbestimmte Formen für die vorkommenden, auf
Zuwendung von Todes wegen gerichteten Rechtsgeschäfte gekannt habe
und kenne. Mit diesen Darlegungen ist deutlich genug zum Aus-
drucke gebracht, daß (worauf es im gegenwärtigen Falle allein an-
kommt) jedenfalls der formlose Erbeinsetzungsvertrag im Lübeckischen
Rechtsgebiete keinen Eingang gefunden habe, daß vielmehr dessen
Anerkennung von der in der Gesetzgebung, dem Herkommen, der
Rechtsübung sich aussprechenden Rechtsüberzeugung dieses Volksteils
abgelehnt worden sei, und daß ein derartiges Rechtsinstitut sich
mit den in Lübeck in Geltung gewesenen Rechtseinrichtungen gar nicht
vertragen hätte.
Eine Rechtsgewohnheit kann sich möglicherweise selbst in einem
gleichförmigen Lassen darstellen, wofern dieses das Ergebnis von
Willensentschlüffen ist (vgl. Dernburg, Pandekten 1 § 27 Anm. S. 57).
Vorliegend aber handelt es sich um mehr als ein bloßes Unterlassen,
ein Nichtgebrauchmachen von einem geltenden Rechtsinstitute: der
Nichtanwendung geht eine gegenteilige Rechtsübung in positiver
Richtung zur Seite.
Wenn die Revision meint, die frühere, vor Erlassung des reichs-
gerichtlichen Urteils vom 5. Januar 1883 liegende Praxis der Lübecker
Gerichte sei wohl von der Auffassung beherrscht gewesen, daß die
Gültigleit formloser Erbverträge gemeinrechtlich zu verneinen oder
doch zweifelhaft sei, so ist in den Gründen des Berufungsurteils
hiefür kein Anhalt zu finden. Auch das dort angezogeneUrteil desLübecker
Obergerichts in SachenGadow gegen Gadow läßt nicht erkennen, daß der
fragliche Gerichtsgebrauch lediglich auf einer Auslegung und Auf-
fassung des gemeinen Rechtes, oder daß er auf einem Mißverständnisse
dieses Rechtes beruhe (RG. 6, 226, 371; 7, 155); diese Entscheidung
rechnet vielmehr mit der gemeinrechtlichen Gültigkeit formloser Erb-
verträge.

Druck: Gebhardt, Zahn LLandt G. m. b. H., Schöneberg-Berlin.

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