Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 49 (1905))

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Einzelne Rechtsfälle.

verschafft (vgl. in letzterer Richtung Beseler, Die Lehre von den Erb-
verträgen 2 § 7, 201 ff., 206 f.; Wächter, WürttPrivR. 1 § 125,.
1080, 1082 f.; Stobbe a. a. O.; Urt. des OAG. zu Lübeck vom
6. Dez. 1862, HambGZ. 62, 416 z. A und B). Aber der Nach-
weis eines entgegengesetzten partikularen Gewohnheitsrechts kann nach
Umständen auch damit erbracht sein, wenn dargetan ist, daß daö
sragliche gemeinrechtliche Institut in dem betreffenden Rechtsgebiete
keine Aufnahme gefunden hat, daß es vielmehr an diesem Orte von
jeher und konstant in bestimmter Weise anders gehalten worden ist,
daß man dort im Rechtsverkehre von der gemeinrechtlich anerkannten
Rechtsform keinen Gebrauch gemacht, sondern an deren Stelle stets
anders geartete Einrichtungen oder Rechtsgeschäfte gewählt hat, um
einen gleichen Rechtszweck zu erreichen.
Eine Feststellung dieser Art ist nun in den Ausführungen des
Berufungsgerichts unbedenklich zu finden, wenngleich dieses nicht mit
ausdrücklichen Worten positiv ein abweichendes Gewohnheitsrecht
für Lübeck als bestehend danegt, sondern zunächst nur in negativer
Form ausspricht, daß der Erbeinsetzungsvertrag in Lübeck keine Geltung
erlangt habe. Es wird in dem Urteile zuvörderst konstatiert, daß in
der Lübeckischen Gesetzgebung der Erbvertrag nirgends Berücksichtigung
gefunden habe, daß die Literatur und Gerichtspraxis sich gegen dessen
Anerkennung ablehnend verhalten hätten, daß Erbverträge in Lübeck
nicht üblich seien und nicht erweislich sei, daß solche dort jemals vor-
kamen. Nur wechselseitige Schenkungen unter Ehegatten, Einkind-
schaften, im Landgebiete Anerbenverträge und Eheftiftuugen unter
den dafür vorgeschriebenen Formen seien dem Lübeckischen Rechte be-
kannt, nicht aber Erbverträge überhaupt. Als vollends ausge-
schlossen aber bezeichnet das Berufungsgericht, daß Erbeinsetzungs-
verträge gänzlich formlos, also auch mündlich, in Lübeck hätten ein-
gegangen werden können. Hierzu nimmt der Berufungsrichter Be-
zug auf das Urteil des Obergerichts vom 20. Februar 1869 in Sachen Ga-
dow gegen Gadow, abgedruckt beiPlitt,Das Lübeckische Erbrecht nach dem
Ges. vom 10. Februar 1862, 117 —, deffen im Berufungsurteil aus-
zugsweise wiedergegebene Gründe er sich zu eigen macht. Dort ist
gesagt, daß jedenfalls die gänzliche Formlosigkeit, mit welcher gemein-
rechtlich Erbverträge sollen abgeschlossen werden können, dem ganzen
Geiste „unseres" (d. h. zweifellos des Lübecker) Rechtes, sowie der
ganzen Richtung des dortigen Rechtsverfahrens widerstrebe, auch von
jeher dem Lübecker Rechte widerstrebt habe, welches, wie näher aus-

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