929
Hand hielt; als er aber von seinem Platze abtrat, versagte sie in allen ihren
Functionen. Nie ist ein Staat geniales, aber auch nie persönlicher regiert
worden, als der Staat Friedrichs des Großen. Dieser Staat glich beim
Tode seines Meisters einem Körper, aus welchem die Seele entflohen ist;
er mußte auch äußerlich völlig zusammenbrechen, um seine Auferstehung und
Wiedergeburt zu vollziehen."
Der 4. Abschnitt „Sturz und Wiederherstellung des Preußischen Staats
1807 bis 1815" ß. 82) schildert namentlich die Verdienste des Freiherrn
vom Stein um die Rettung und Neugründung des preußischen Staats auf
deutscher und freiheitlicher Grundlage. „Dem romanischen Staatsgedanken
setzte Stein ein wahrhaft deutsches Staatswesen als sein Ideal entgegen, ge-
gründet auf ein freies Bürgerthum, getragen durch die Selbstregierung der
Gemeinden, Kreise und Provinzen, mit festem Rechtsschutz des Einzelnen,
vollendet durch die Theilnahme einer Volksvertretung an den allgemeinen
Staatsangelegenheiten." Der Verfasser bebt sodann hervor, wie nach dem
Rücktritte Stein's die auf der Grundlage seiner Principien erlassenen Ver-
ordnungen hinter dem Stein'schen Grundgedanken in dem wichtigen Punkte
mrückblieben, daß der Nation nicht durch ständische Repräsentanten ein Antheil
an der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten eingeräumt wurde. Ueber
die Neugestaltung Preußens bemerkt der Verfasser: „Preußen konnte und
mußte nach einer ausgeprägten Naturnothwendigkeit seine Ergänzung lediglich
in deutschem Geiste, seine Machtstütze in einer nationalen Politik suchen, es
mußte mit Einem Worte ein durch und durch deutscher Staat werden."
Der 5. Abschnitt sS. 95) behandelt die Zeit von 181-5 bis 1848
lPreußen als absoluter Staat, Mitglied des deutschen Bundes), der 6.
iS. 110) die konstitutionellen Anfänge von 1848 bis auf die Gegenwart.
Das preußische Verfassungswerk beginnt mit der Berufung des Vereinigten
Landtags, über welchen der Verfasser sich dahin ausspricht: „Der Vereinigte
Landtag hatte in allen seinen Berathungen und Anträgen eine so patriotische
und maßvolle Haltung gezeigt; er hatte sich als ein Feind alles Umsturzes,
aber zugleich als ein entschiedener Vorkämpfer des besonnenen Fortschritts
bewährt, daß man wohl einer solchen Versammlung und dem durch dieselbe
vertretenen Volke mit Vertrauen den vollen Genuß freier Staatseinrichtungen
hätte einräumen können. Jetzt war der Moment da, wo man durch einen
hochherzigen Entschluß aus dem absoluten in den Verfassungsstaat hinüber-
rreren konnte." Ueber die Zustände von 1851 bis 1857 heißt es: „Nichts
wäre seit 1^50 mehr an der Zeit gewesen, als die unfertige Verfassung,
diese wahrhafte „lex imperfecta“ im Sinne des deutschen Rechtsstaats weiter
zu bilden, ihre abstracten Volksrechte mit kräftigen Schutzwehren zu umgeben
und die Verwaltung in Gemeinde, Kreis und Provinz mit den konstitutionellen
Grundsätzen in Einklang zu bringen . ." Ueber die Bildung des Nord-
deutschen Bundes äußert der Verfasser sich dahin: „Graf Bismarck beschränkte
sein Werk vorläufig auf den mehr homogenen, von Preußens Staatsmacht
umspannten Norden Deutschlands, nicht um die höchste nationale Aufgabe, die
Einigung von ganz Deutschland damit für immer aufzugeben, sondern vielmehr,
um dieselbe organisch vorzubereiten und um so sicherer ihrem Ziele entgegen-
zuführen."
Die zweite Abtheilung stellt die Hauptgrundzüge der Staatsrechtslehre
Beiträge, XVI. lN. F. I.) Jahrg. 6. Heft. 59