Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 16 = N.F. Jg. 1 (1872))

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die Kenntniß davon, daß das Gesetz einem Erwerbsakte (hier der Tra-
dition) die beabsichtigte Wirkung versagt, noch nicht mala fides ist?l)
1. 24 pr. D. de usurp. et usuc. 41. 3.
Man kann daher in einem solchen Falle, in welchem von einer
materiellen Benachtheiligung nicht die Rede ist, wie im älteren Röm.
Rechte der Fall war und z. B. Puchta, Cursus der Institutionen
5. Aust. II. S. 662 bei formellen Mängeln allgemein anzunehmen
scheint, das Erforderniß der bona fides ganz fallen lassen und zwar
um so mehr, als hier von einem Irrthum oder irrigem Glauben gar
nicht die Rede ist oder ein solcher wenigstens wirkungslos bleibt, so)
Oder man stellt für die bona fides den von den Neueren 31) adoptirten
ganz allgemeinen Begriff auf, nach welchem unter derselben die redliche
Ueberzeugung zu verstehen ist, daß man durch die Aneignung der Sache
kein materielles Unrecht begehe.
Diese Ueberzeugung braucht dann bei dem formellen Mangel keine
irrthümliche zu sein, sie wird dies im Gegentheil regelmäßig nicht sein,
wenn nur ein solcher vorliegt, sie kann es aber selbstverständlich auch
hier sein, da eine Conkurrenz materieller Mängel nicht ausgeschlossen ist.
Bei einer solchen rechtlichen Auffassung des Wesens und Begriffs
der zur Usukapion erforderlichen bona fides fällt auch das letzte Be-
denken, welches man gegen die Zulassung einer Usukapion aus einem
Veräußerungsvertrage ohne Berücksichtigung der Förmlichkeiten des § 2
des Gesetzes und einem auf Grund desselben erlangten Besitze noch
hegen könnte.
Wollte man daher den Inhalt der oft citirten 1. 20 6. in der
auf Grundvermögen beschränkten Geltung des Gesetzes und mit Be-
rücksichtigung der abändernden Bestimmungen desselben wiedergeben, so
würde dies etwa dahin geschehen müssen:
Eigenthum an Grundstücken wird durch Beobachtung der Förm-
lichkeiten des § 2 des Gesetzes vom 2. Februar 1864 und
durch Usukapion, nicht aber durch den einfachen Veräußerungs-
vertrag allein übertragen.
Aus der Zulässigkeit der ordentlichen Ersitzung ergiebt sich dann
nach dem früher (S. 334) Gesagten auch die Zulässigkeit der Publi-

29) Schirmer a. a. O. Bd. 15 S. 243. Burckhard a. a. O. Bd. 21 S. 303.
30) Burckhard a. a. O. S. 304 f.
31) Vergl. auch Exner a. a. O. S. 363. Windscheid, Pandekten I. § 176.
Arndts Pandekten 8 160. Letzterer sagt: Der Usukapient darf keine Kenntniß
der Umstände haben, wegen welcher sein Erwerb als ein materiell ungerecht-
fertigter erscheint.

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