Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 16 = N.F. Jg. 1 (1872))

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ist, oft aber Satzungen, die ursprünglich ernst gemeint waren, in späterer
Zeit eine humoristische Wendung, Färbung oder Auslegung erhalten. In den
§§ 7 ff. werden uns, und zwar überall an der Hand der Quellen, Einzel-
fälle des Humors im Recht vorgeführt, insbesondere der in manchen Rechts-
sprüchwörtern sich kund gebenden Neigung gedacht, eine Rechtsregel in
humoristischer Form auszudrücken (§ 8). Weiterhin beschäftigt sich der Vers,
mit den zahlreichen Fällen des Humors im Rechte, die er als Rechtsüber-
treibung bezeichnet. „Eine Rechtsübertreibung liegt vor, wenn, um die
Stärke eines Rechts oder einer Pflicht auszudrücken, übertriebene und in ihrer
Uebertreibung lächerliche Konsequenzen daraus gezogen werden. Die Be-
stimmung erhält hier durch die drastische Fasiung ihres Gehalts eine sinnliche
Lebendigkeit, welche sie sogleich nach ihrer ganzen Tragweite klar stellt, ohne
daß doch an die wirkliche Benutzung der äußersten Rechtsmöglichkeit jemals
gedacht würde" (S. 23). „In diesem Sinne gehört zu den Rechtsüber-
treibungen auch das berüchtigte Recht auf die erste Nacht, welches von
deutschen Quellen zwei schweizerische Weisthümer des 16. Jahrh. dem Herrn
oder vielmehr seinem Beamten zuerkennen, sofort aber selbst durch die dem
hörigen Bräutigam verstattete Wahl, durch eine ganz unbedeutende Abgabe die
erste Nacht für sich zu erkaufen, wieder aufheben... Eigentlicher Inhalt
der Bestimmung ist nur die Anordnung einer Abgabe, deren Bedeutung
als einer symbolischen Anerkennung der Leibherrschaft durch die scherzhafte
Voranstellung und Ausmalung der äußersten Rechtskonsequenz, die durch die
Abgabe abgewandt wird, in Helles Licht gesetzt werden soll (§ 10)." —
Den Gegensatz zu der Rechtsübertreibung bildet die noch verbreitetere Erschei-
nung des Scheinrechts. Der Vers, zählt dazu sowohl die Fälle der Schein-
berechtigung als die der Scheinverpflichtung. „Grundzug dieser Fälle ist,
daß das Recht es vermeidet, geradezu ein sonst begründetes Recht oder eine
sonst begründete Pflicht im einzelnen Fall zu verneinen, und statt dessen lieber
eine scheinbare Berechtigung zuerkennt oder eine scheinbare Verbindlichkeit auf-
erlegt. Der Schein bleibt gewahrt: im Ernste ist es nicht oder nicht viel
anders, als wenn gar nichts gewährt oder gar nichts verlangt würde.
Diese Form des Humors mildert wenigstens in der Fassung die Strenge des
Rechts, sie ist euphemistisch, sie scheut das schroffe Nein; aber sie schlägt auch
oft in bittere Ironie und beißenden Spott um (§ 11)." Hierher gehört als
häufigster Fall die Scheinbuße (§ 12), desgleichen die Scheinerfüllung
einer Verbindlichkeit (8 13). In den §§ 14 — 18 werden die übrigen,
außerhalb der aufgestellten Kategorien liegenden Erscheinungen, bei welchen
volksthümlicher Humor im Rechte lebt und wirkt, dargestellt und am Schluffe
s§8 19, 20) des allmäligen Verschwindens des Humors im Rechte gedacht.
vr. I. A. Gruchot.

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