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der Kompensationswille zur Voraussetzung haben müsse. Diese aber
hätten sich vor abgelausener Instruction ereignet. Es sei ganz gleich,
ob sie in einem Judikate, oder in einem sonstigen Forderungsgrunde be-
ruhten. Wäre das Judikat noch vollstreckbar, so könne sich ja der
jetzige Kläger seine Schuld in vim cessionis überweisen lassen, resp.
arrestiren, und so einen geeigneten Kompensationstitel gewinnen. So-
nach müsse dem zweiten Richter beigetreten werden. Entgegengesetzten
Falls würde man dem bedenklichen Verfahren die Thore öffnen, daß
der mit Execution verfolgte Schuldner beliebig oft einwendete, er fasse
jetzt Compensationswillen, und so jede Execution so lange ver-
hinderte, bis die Forderungen, die er aus der Vergangenheit heranzieht,
jedesmal erst in facto widerlegt wären.
Das Ober-Tribunal (IV. Senat) ist letzterer Ausführung beige-
treten und hat durch das Erkenntniß vom 29. Juni 1871 die eingelegte
Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. — Die Gründe lauten:
Die von dem Imploranten als verletzt bezeichneten §§ 300 und
301, I 16 A. L. R. bestimmen nur den Begriff und die Wirkung der
Compensation und der ferner als verletzt bezeichnete § 383 a. a. O.
giebt nur an, inwiefern Einwendungen verloren gehen, wenn sie in
einem Prozesse innerhalb der durch die Gesetze bestimmten Fristen nicht
geltend gemacht werden. Für den vorliegenden Fall sind diese gesetzlichen
Bestimmungen ohne Bedeutung; denn es handelt sich nur um die Frage,
inwiefern gegen eine judikatmäßige, zur Execution stehende Forderung
der Einwand der Compensation zulässig ist. Für diese Frage ist der
§ 6 der Verordnung vom 4. März 1834 maßgebend. Danach hemmt
der Einwand der Compensation die Execution nur alsdann, wenn er
liquid ist und die Thatsachen, auf welche er gegründet wird, sich erst
nach geschlossener Instruction ereignet haben, oder erst nach diesem Zeit-
punkt zur Kenntniß des Schuldners gekommen sind. Um diese Be-
stimmung für den vorliegenden Fall anwendbar erscheinen zu lassen,
meint Implorant, die Thatsache, auf welche der Einwand der Com-
pensation gegründet werde, habe sich erst nach geschlossener Instruction
ereignet, diese Thatsache sei die Erklärung des Klägers, compensiren
zu wollen. Diese Ansicht ist eine irrige. Wenn gedachter § von den
Thatsachen, auf welche der Einwand der Compensation gegründet wird,
spricht, so meint er damit, wie dies § 301 I 16 A. L. R. ergiebt,
die Entstehung der Forderung, durch welche die Compensation be-
gründet wird. Daß aber die Forderung, mit welcher Kläger com-
pensiren will, sich bereits vor geschlossener Instruction des Prozesses,
in welchem die Verurtheilung des Klägers erfolgte, ereignet und
Beiträge, XVI. (N. F. I.) Jahrg. 1. Heft. 7