Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 43 = 6.F. Jg. 3 (1899))

T>r. Droop, Der Rechtsweg in Preußen.

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tragen und ihn ermächtigen will, rechtskräftige Entscheidungen sowohl
der ordentlichen Gerichte als der Verwaltungsgerichte oder Beschlüsse
der Verwaltungsbehörden aufzuheben und die dadurch betroffenen Be-
hörden zu einem neuen Verfahren zu veranlaffen. Ob man, wenn
diese Bestimmung dem Rechtszustande, der in Preußen nach Erlaß des
Ges. vom 8. April 1847 gegolten hat, entspräche, vielleicht annehmen
könnte, daß der durch die V.O. nur bestätigte Rechtszustand weiter
gelten solle, will ich nicht näher untersuchen, denn ich bin der Ansicht,
daß durch § 21 der V.O. neues Recht in Preußen geschaffen ist.
Das Ges. vom 8. April 1847 bestimmt im § 1,
daß die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten
und den Verwaltungsbehörden einer aus bleibenden Mitgliedern zu
bildenden Behörde übertragen wird.
Dem Wortlaut nach bezieht sich diese Vorschrift auf alle Kompe-
tenzkonflikte. Dann besagt § 2:
Zn rechtskräftig von den Gerichten entschiedenen Sachen kann
der Kompetenzkonflikt nicht mehr erhoben werden; ebenso wenig findet
derselbe noch statt, wenn in einem Prozesse, bei welchem eine Ver-
waltungsbehörde als Partei betheiligt ist, die von derselben aufge-
stellte Präjudizialeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges rechts-
kräftig verworfen worden ist.
Auch hier spricht das Gesetz ganz generell von allen Kompetenz-
konflikten, und es kann also nach dem Wortlaut desselben nicht wohl
zweifelhaft sein, daß die Vorschrift des § 2 gleichmäßig für den posi-
tiven wie den negativen Kompetenzkonflikt gelten soll. Des letzteren
wird nur besonders im § 20 gedacht, welcher lautet:
Der im § 1 angeordnete Gerichtshof hat auch über solche Strei-
tigkeiten zwischen den Gerichts- und Verwaltungsbehörden zu ent-
scheiden, bei welchen eine jede der beiden Behörden sich in der Sache
für inkompetent und dagegen die andere für kompetent hält.
Diese Gesetzesstelle läßt sich m. E., ohne den Worten Zwang an-
zuthun, nur dahin verstehen, daß der im § 1 für die Entscheidung von
Kompetenzkonflikten gebildete Gerichtshof sowohl die Fälle des positiven
als des negativen Konflikts aburtheilen sollte, und daß für den nega-
tiven Konflikt, da besondere Bestimmungen in Betreff des Verfahrens
und der Anwendung oder Nichtanwendung des generell gefaßten § 2
nicht gegeben sind, für beide Fälle das gleiche Verfahren beobachtet,
und auch die Unzulässigkeit eines Konflikts, wenn die Gerichte rechts-
kräftig ihre Unzuständigkeit ausgesprochen haben, gemäß § 2 gelten
sollte. Der preuß. Justizminister hat es jedoch für zweifelhaft erachtet,
ob der § 2 des Ges. vom 7. April 1847 auf negative Kompetenzkon-
flikte anwendbar sei, und darüber eine Aeußerung des Komp.G.H. er-
fordert. Das Gutachten desselben vom 10. März 1848 ist im Just.-
Min.Bl. von 1848 S. 274 ff. veröffentlicht. Es ergiebt, daß die Mi-
norität den § 2 in dem von mir angedeuteten Sinne verstand und
dessen Anwendung auch für den negativen Kompetenzkonflikt eintreten
lassen wollte. Die Gründe der Majorität für die entgegengesetzte An-

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