20.89.
Kann der durch eine einstweilige Verfügung Betroffene nach Aufhebung derselben, wenn auch die Vorschrift des § 655 Abs. 2 C.P.O. (betr. Rückerstattung des auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren, in höherer Instanz aufgehobenen Urtheils Gezahlten) nicht anwendbar ist, alle Rechtsbehelfe (also im Ehescheidungsprozesse gemäß § 584 C.P.O. auch eine einstweilige Verfügung) behufs Verwirklichung des nach der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu seinen Gunsten veränderten Rechtszustandes geltend machen?
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Einzelne Rechtsfälle.
im Urkundenprozesse wiederholt ausgesprochenen Grundsätzen sind im
ordentlichen Verfahren solche Einreden unstatthaft, welche im Urtheile
des Urkundenprozesses aus rechtlichen Gründen verworfen oder aus
thatsächlichen Gründen für widerlegt erklärt worden sind, dagegen
diejenigen Einreden zulässig, welche iin Urkundenprozesse überhaupt
nicht vorgebracht oder nicht entschieden oder als unbewiesen nicht
berücksichtigt, oder welche als im Urkundenprozesse unstatthaft ver-
worfen sind. (Vergl. die Urtheile des R.G. in Civils. vom 7. Januar
1882 bei Gruchot Bd. 26 S. 841; vom 16. März 1895 bei Gruchot
Bd. 39 S. 1145; vom 22. November 1884, Entsch. des R.G. Bd. 13
S. 399; vom 21. November 1883 und 29. Dezember 1883, Entsch.
Bd. 14 S. 322 und S. 105; vom 13. Oktober 1885 Bd. 14 S. 219;
vom 9. Dezember 1886, Entsch. Bd 18 S. 378).
Der Berufungsrichter, welcher gleichfalls von diesen Grundsätzen
ausgeht, nimmt an, daß die Beklagte im ordentlichen Verfahren nur
dieselben Einreden wiederholt habe, welche sie bereits im Urkunden-
prozesse geltend gemacht habe und die in dem Urtheile des letzteren
aus Rechtsgründen verworfen worden seien. (Es wird ausgeführt,
daß dies bei mehreren Einreden richtig sei, und daß eine Einrede,
welche zulässig erscheine, unbegründet sei.)
Nr. 125.
Kann der durch eine einstweilige Verfügung Getroffene nach Aufhebung
derselben, wenn auch die Vorschrift des § 655 Abf. 2 C.Pl.O. (betr.
Rückerstattung des auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren, in höherer
Instanz aufgehobenen Urthrils Gezahlten) nicht anwendbar ist, alle
Nechtsbehelfe (also im Ehefcheidungsprozeffe gemäß § 584 C.P.O. auch
eine einstweilige Verfügung) behufs Verwirklichung des nach der Auf-
hebung der einstweiligen Verfügung zu seinen Gunsten veränderten Vechts-
zustandes geltend machen?
(Urtheil des Reichsgerichts (IV. Civilsenat) vom 1. Dezember 1898 in Sachen
der Frau W., Beklagten, wider ihren Ehemann, Kläger. IV. 287/98.)
Die Revision der Beklagten wider das Urtheil des preuß. Ober-
landesgerichts zu Hamm ist zurückgewiesen.
Thatbestand:
Die mit einander seit dem 21. August 1893 verheiratheten
Parteien liegen im Scheidungsprozeße, der gegenwärtig in der Be-
rufungsinstanz schwebt, nachdem durch das landgerichtliche Urtheil
vom 8. November 1897 sowohl auf die Klage des Ehemannes, wie
auf die Widerklage der Ehefrau, auf Trennung der Ehe wegen Ehe-