Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 43 = 6.F. Jg. 3 (1899))

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Einzelne Rechtsfälle.

das Fortbestehen solchen Benutzungsrechts. Bei der Beklagten
zu 1 liege zwar die Sache insofern anders, als sie beim Ankauf
ihres Hausplatzes an der westlichen Seite der Düppelstraße zugleich
das vor diesem Platz liegende, ihr jetzt enteignete, Stück Straßen-
fläche mit zu Eigenthum erworben habe und ihren Nachbarn nicht
das Recht eingeräumt worden sei, dieses Stück als Straße zu
benutzen; aber thatsächlich habe sie dennoch eine solche Mitbenutzung
durch die Nachbarn gestatten müssen, weil diese ihr andernfalls
auch die Mitbenutzung der vor deren Häusern belegenen Straßen-
theile verwehrt haben würden. Da nun die sämmtlichen Anlieger
an diesen Straßen nur über die enteigneten Flächen zu ihren
Häusern gelangen könnten, so hätten diese Flächen zur Zeit der
Enteignung lediglich zu Verkehrszwecken der Anlieger benutzt
werden können, mithin ihren Eigenthümern einen wirthschaftlichen
Nutzen nicht gewährt. Mit Rücksicht auf diese mangelnde Be-
nutzungsfähigkeit sei anzunehmen, daß die Beklagten mit 35 Pf.
für das Quadratmeter vollkommen für den Verlust ihres Eigen-
thums entschädigt seien.
Diese Begründung wird mit Recht von der Revision der Be-
klagten angegriffen. Wie schon wiederholt vom Reichsgerichte an-
erkannt worden ist,
vergl. Entsch. des R.G. Bd. 30 Nr. 53 S. 176 (V. 100/92),
Bd. 33 N.r 71 S. 303 (V. 82/94), sowie das Urtheil in Sachen
F. wider G. und Genossen vom 19. November 1892 (V. 173/92),
sind privatrechtliche Belastungen enteigneter Grundstücke nicht geeignet,
den nach § 8 des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 zu er-
setzenden vollen Werth des Grundstücks zu vermindern. Der Werth
eines Grundstücks wird dadurch nicht verändert, daß der jeweilige
Eigenthümer es nicht selber nutzt oder gebraucht, sondern andern
Personen Nutzungs- oder Gebrauchsrechte daran eingeräumt hat.
Dies mag die Folge haben, daß die andern Personen verlangen
können, für den Verlust ihrer Rechte entschädigt zu werden, sei es
in der für den vollen Werth des Eigenthums zuzusprechenden, sei
es durch eine noch darüber hinaus festzusetzende Summe (§§ 11, 29
des Enteignungsges.). Der letzte Fall liegt nicht vor; die Frage
aber, welchen Antheil solche Nebenberechtigte an der Entschädigung
für den Werth des Eigenthums beanspruchen können, berührt den
Unternehmer nicht; dieser erhält das Grundstück frei von privat-
rechtlichen Lasten (§ 45 a. a. O.) und kann nicht geltend Machen,

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