Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 43 = 6.F. Jg. 3 (1899))

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Einzelne Rechtsfälle.

zuschließen, daß auch ein umfangreicher See die Erweiterung des
ihn durchströmenden Flusses bilden kann, namentlich, wenn, wie
hier, der See langgestreckt und von verhältnißmäßig geringer
Breite sei.
Die Frage, ob ein von einem Flusse durchströmter See als
Theil dieses Flusses oder als ein selbständiges Gewässer anzusehen
ist, ist eine nach den Umständen zu beantwortende Thatfrage, und
ist vom Berufungsrichter auch als solche geprüft und beantwortet
worden. Dabei hat der Berufungsrichter die (im Verhältniß zum
Zu- und Abfluß) erhebliche Größe des See's und die geringe Be-
deutung des in den See unter dem Namen „Notec" einmündenden
und unter dem Namen „Montwy" aus demselben austretenden
Flusies als thatsächliche Momente hervorgehoben. Daß der Be-
rufungsrichter sich hierbei in dem Rechtsirrthum befunden, daß eine
von Natur schiffbare Flußftrecke den Karakter eines öffentlichen
Flusses nicht habe, wenn ober- und unterhalb der Fluß nicht von
Natur schiffbar ist, dafür fehlt es an jedem Anhalt. Die Nicht-
schiffbarkeit des Zu- und Abfluffes des Goplo-See's ist, wie sich
aus seiner weiteren Begründung klar ergiebt, vom Berufungsrichter
nur als ein thatsächliches Moment hervorgehoben, für die geringe
Bedeutung des Flusses im Verhältniß zu dem Wasserbecken des
Goplo-See's.
Weitere Angriffe sind von der Revision nicht geltend gemacht
worden. Dennoch konnte das Berufungsurtheil nicht aufrechterhalten
werden.
Die Klage kann nach ihrer Begründung nur als die Grenz-
scheidungsklage (actio finium regundorum § 372 A.L.R. I. 17)
angesehen werden, nicht als Klage auf Grenzerneuerung (Ab-
markungsklage § 383 a. a. O., vergl. § 919 des Bürgerlichen Gesetz-
buchs). Denn letztere setzt voraus, daß die Grenzlinie selbst un-
streitig ist, und hat den Zweck, künftigen Verdunkelungen der
Grenze vorzubeugen. Ist aber die Grenze bereits verdunkelt oder
ungewiß geworden, so greift die Grenzscheidungsklage Platz, und
eine Grenze gilt als verdunkelt, wenn keine, von beiden Theilen
dafür anerkannte hinlängliche Merkmale vorhanden sind (§ 375
A.L.R. I. 17). Dieser Fall liegt hier vor und bildet den Anlaß
zu der mit dem Anträge auf Regulirung der Grenze erhobenen
Klage.
Ist aber diese Klage als Grenzscheidungsklage anzusehen, so

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