Pflicht zur Erhaltung von Gräben.
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Rechte des Beklagten eingegriffen wäre, würde der Beklagte zunächst
immer nur mit der Negatorienklage Beseitigung der Störung und
Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen, keineswegs aber
daraus ohne Weiteres ein Recht herleiten können, die auf seinem
Grund und Boden befindlichen Gräben der Vorschrift des § 100
a. a. O. zuwider zu kassiren. Aus den Anführungen des Beklagten
erhellt aber auch nicht einmal, daß und in welcher Weise durch die
Anlegung der Wasserfurchen auf dem klägerischen Grundstücke störend
in die Rechte des Beklagten eingegriffen ist. Im Allgemeinen steht
es jedem Grundeigenthümer zu, auf eigenem Grund und Boden einen
Graben zu ziehen. Das ist ein Ausfluß seines Eigenthumsrechtes
und dem Nachbarn steht dagegen an und für sich ein Widerspruchs-
recht nicht zu. Deshalb hat das frühere Ober-Tribunal in dem Er-
kenntnisse vom 11. Februar 1859 (Striethorst Archiv Bd. 49 S. 1)
zutreffend angenommen, daß der Regel nach nur dann, wenn durch
die Ziehung eines Grabens auf eigenem Grund und Boden ein
neuer Wasserlauf über das Grundstück des Nachbars erforderlich
wird, der Grundbesitzer, welcher sich des auf seinen Ländereien stehen-
den Wassers entledigen will, genöthigt ist, das in den §§15 ff. des
Gesetzes vom 15. Novbr. 1811 angeordnete Verfahren bei der Pro-
vinzial-Polizeibehörde zu beantragen. Da weder der Beklagte be-
hauptet, noch der Appellaiionsrichter feftgestellt hat, daß die streitigen
Gräben auf dem Grundstücke des Beklagten erst in Folge der kläge-
rischerseits gezogenen Wasserfurchen entstanden, oder daß von der
Klägerin Wasser außerhalb jener bereits vorhandenen Gräben auf
das Grundstück des Beklagten immittirt ist, läßt sich dem Appellations-
richter eine Verletzung der §§15 bis 19 a. a. O. und des von der
Nichtigkeitsbeschwerde formulirten Rechtsgrundsatzes ebensowenig zur
Last legen, als ein Verstoß gegen A.L.R. I. 8 §§ 1 und 25. Ins-
besondere verkennt der Appellationsrichter nicht, daß nach § 25
a. a. O. Einschränkungen des Eigenthums durch Natur, Gesetze,
oder Willenserklärungen bestimmt sein müssen; denn er gründet seine
Entscheidung mit Recht auf eine gesetzliche Einschränkung des Eigen-
lhums. Die Erkenntnisse des früheren Ober-Tribunals vom 22. Mai
1860 (Striethorst Archiv Bd. 38 S. 29) und vom 12. Februar
1863 (Striethorst Archiv Bd. 47 S. 347), auf welche die Nichtig-
keitsbeschwerde sich beruft, stehen ihrer Argumentation in keiner Weife
zur Seite. Das Erkenntniß vom 22. Mai 1860 betrifft einen Fall,
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