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Einzelne Rechtsfälle.
publizirten Testamentes. Nach dieser Richtung hin ist also ein
Rechtsirrthum nicht erfindlich, und über die Quelle für jene Wissen-
schaft geben die §§ 383 ff. keine Auskunft. Nicht einschlagend für
den Rechtssall und auch von dem Appellaiionsrichter nicht ver-
wendet sind die §§ 389 ff. a. a. O., welche von der Legitimation,
der Form und dem Umfange der Erbschaftsentsagung handeln,
Punkte, welche nicht Gegenstand des Streites sind. Anlangend die
fernere Beschwerde der Verklagten, so setzt freilich das Recht, einer
durch Testament angefallenen Erbschaft zu entsagen (I. 9 §§ 367 ff.,
383 ff.), die Kenntniß des Inhaltes des Testamentes voraus, und
es liegt in der Natur der Sache, daß diese Kenntniß vor der Publi-
kation des Testamentes, und so lange dasselbe in der verschlossene!,
Gewahrsam des Richters sich befindet — in zuverlässiger Weise —
nicht zu erlangen ist. Der § 242 I. 12 a. a. O. knüpft daher —
zeitlich — das Erbschaftsantritts- und Entsagungsrecht und daher
die Wissenschaft von dem Erbanfalle, somit den Beginn der Ueber-
legungsfrist an die Publikation des Testamentes; allein dieses nur
in dem Sinne, daß durch die richterliche Eröffnung des Testamentes
die Möglichkeit gegeben ist, Wissenschaft über den Inhalt des Testa-
mentes zu erhalten, nicht aber in dem Sinne, daß der Akt der
Publikation und die unmittelbare Mittheilung durch den Richter
die einzige Quelle für die Kenntniß des Inhaltes des Testamentes
und der darin ausgesprochenen Erbberufung sei. Kurz, das Gesetz
erkennt vor der Publikation des Testamentes keine Pflicht an, sich
über den Erbschaftsantritt zu erklären, auch wenn vorher im ein-
zelnen Falle über den Inhalt des Testaments eine Privatkenntniß
— die immer aber doch nur muthmaßlich sein könnte — bestehen
möchte. Das Gegentheil ist auch nicht in dem Plenar-Erkenntmß
des preußischen Ober-Tribunals vom 6. Januar 1851 (Entschei-
dungen Bd. 20 S. 10 und Justiz - Ministerial - Blatt 1851 S. 51)
angenommen, welches nur die Frage, ob die Frist zur Erklärung
über den Erbschaftsantritt auch für einen — im Testamente als
Erbe berufenen — Notherben von dem Zeitpunkte der erlangten
Wissenschaft des Ablebens des Erblassers oder von dem Zeitpunkte
der ihm geschehenen Testaments-Publikation laufe? im Sinne der
letzteren Alternative beantwortet, weil erst durch die Publikation
die causa delationis bekannt und die Pflicht zur Erklärung begründet
werde. Die Frage: ob die unmittelbare Publikation an den ein-