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Einzelne Rechtsfälle.
Entschädigung durch den Bezirksrath eine Einigung der Parteien
über den Gegenstand der Abtretung zum Zwecke der Ueberlaffung
des Besitzes und des Eigenthums vorangegangen und der Besitz des
enteigneten Grundstücks mit Bewilligung des Klägers von der Be-
klagten schon am 16. August 1876 ergriffen worden. Es kann da-
hin gestellt bleiben, ob der Anspruch des Klägers auf eine Verzinsung
der festgestellten Entschädigungssumme seit dem Tage dieser Besitz-
ergreifung mit dem Berufungsrichter aus § 36 des Enteignungs-
gesetzes vom 11. Juni 1874 hergeleitet werden kann. Denn der
Anspruch ist noch aus einem anderen Grunde gerechtfertigt. Das
A.L.R. I. 11 §§ 3 ff. faßt die Enteignung als einen Kauf auf und
es ist nicht bedenklich, auch seit dem angezogenen Gesetze vom 11. Juni
1874 an dieser Auffassung wenigstens in dem Falle festzuhalten,
wenn wie hier nach der Feststellung des Berufungsrichters der Gegen-
stand der Abtretung zum Zwecke der Ueberlaffung des Besitzes und
des Eigenthums durch gütliche Einigung unter Vorbehalt der nach-
träglichen Feststellung der Entschädigung auf gesetzlichem Wege be-
stimmt worden ist, wie solches § 16 a. a. O. vorgesehen hat. Es
liegt in einem solchen Falle ein Kauf vor, bei welchem die Be-
stimmung des Kaufpreises dem Gutachten eines Dritten überlaffen
wird (A.L.R. I. 11 § 48). Bei dieser Sachlage muß im Anschluß
an die Entscheidung des R.O.H.G. vom 27. Januar 1876 (abgedruckt
Bd. 19 S. 168 ff. der Entscheidungen) auch die Regel des A.L.R.
1.11 § 109 Platz greifen, welche vorschreibt, keiner der Kontrahenten
könne wider des anderen Willen Sache und Kaufgeld zugleich nützen.
Mit dieser Vorschrift setzt sich Beklagte in Widerspruch, durch ihre
Weigerung dem Ansprüche des Klägers gerecht zu werden. Sie hat
seit dem 16. August 1876 den Besitz des enteigneten Grundstücks
ergriffen und erst am 22. August 1878 die Entschädigung gezahlt.
Daß sie aber während dieses Zeitraums nicht mit dem Willen des
Klägers Grundstück und dessen Geldwerth zugleich hat nutzen sollen,
bildet die Voraussetzung der angegriffenen Entscheidung und die noth-
wendige Folgerung aus der ganzen Sachlage.*)
*) Siehe die Entscheidung des Reichsgerichts No. 79.