4 Otto, Ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlungen
Zuerst die Leistung einer Nichlschuld. Die Verbindlichkeit, zu deren
Erfüllung etwas geleistet wird, besteht nicht, sie ist nichtig aus formellen oder sach-
lichen Gründen, oder sie ist erfüllt oder angefochten und besteht nicht mehr, oder
sie ist aufschiebend bedingt und besteht noch nicht. Die Rückforderung ist dann
immer begründet. Ist die Verbindlichkeit dagegen bloß betagt und wird vor der
Zeit erfüllt, so findet keine Rückforderung statt (§ 813 Abs. 2, sächs. G.B. § 1521),
es können nicht einmal Zwischenzinsen verlangt werden. Als nicht bestehend gilt
auch die Verbindlichkeit, wenn eine die Geltendmachling des Anspruchs dauernd
ausschließeudc Einrede entgegensteht (§ 813 Abs. 1). Das Gesetzbuch drückt sich,
wo es eine solche Einrede verleiht, in der Regel so aus, daß der Schuldner die
Erfüllung verweigern könne (z. B. 88 821, 1166, 1973, 2187; vergl. auch 1169,
1254). Den Gegensatz bildet ein Einwand, der den Anspruch vernichtet, wie
Zahlung, Aufrechnung, Hinterlegung bei Ausschluß des Rücknahmerechtes, Erlaß,
dann besteht eben kein Anspruch mehr. Den Hauptfall, wo die Leistung dauernd
verweigert werden kann, bildet die Verjährung. Aber gerade die Erfüllung einer-
verjährten Forderung unterliegt, wie bei uns, ausnahmsweise der Rückforderung
nicht (8 222 Abs. 2, sächs. G.B. >8 1522). Ebensowenig kann eine Leistung
zurückgefordert werden, die einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandspflicht ent-
sprach (8 814). Darin kommt der Gedanke der natürlichen Billigkeit, die Natural-
obligation des römischen Rechts, zu sieghaftem Durchbruch. Der A, der dem be-
dürftigen Bruder Geld zum Unterhalte gab, kann deshalb das Geleistete nicht
zurückverlangen, selbst wenn er irrthümlich glaubte, unterhaltspflichtig zu sein.
Wird ein anfechtbares, aber noch nicht angefochtenes Geschäft erfüllt, so handelt
es sich um eine jetzt gültig bestehende Schuld; die Rückforderung ist also ausge-
schlossen. Die nachträgliche Anfechtung vernichtet aber auch das erfüllte Geschäft,
wie wenn es nie vorgenommen wäre. Damit fällt dann nachträglich der rechtliche
Grund der früheren Leistung*) weg und es findet nun um deswillen die Rück-
forderung statt.
Den Beweis, daß er zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld geleistet habe
und daß die Schuld nicht bestehe, muß unter allen Umständen der Rückfordernde
führen. Eine Veränderung der Beweislast, wenn der Beklagte die Leistung leug-
net (sächs. G.B. 8 1533), kennt das neue Recht nicht. Den Jrrthum braucht
der Rückfordernde nie zu beweisen, sondern der Gegner hat darzuthun, daß der
Leistende das Nichtbestehen der Verbindlichkeit gekannt habe oder daß eine sittliche
oder Anstandspflicht für ihn begründet war (8 814). Zweifel des Gegners steht,
wie nach sächsischem Recht (8 1523 Satz 2), der Kenntniß der Nichtschuld
nicht gleich.
Die Rückforderung einer zu Herbeiführung eines Erfolges gemachten Leistung
*) A. A. Schollmeyer, Einzelne Schuldverhältnifse, S. 107; Anger, S. Archiv,
Bd. 7 S. 666.