Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 4 (1840))

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Wilda:

mal der Umstand hervor, daß man es mit der Göttlichkeit der Legi-
timation selbst im Mittelalter gar nicht so heiß genommen hat. Kaum
findet fich vor der Reformation ein anderes Zeugniß dafür, als die
angeführte Stelle aus dem Rechtsbuch nach Distiuetioncn 6 7 8), und
den Kanoniften selbst, welche sich über den Umfang der Wir-
kung der Legitimation stritten, fiel es keineswegs ein, für die unbe-
dingte Anerkennung in allen Verhältnissen und für alle Stände sich
auf das jus divinum zu berufen oder gar die Gegner der Ketzerei zu
beschuldigen, wie es nun geschehen zu wollen scheint^). Dagegen
haben wir aber gesehen, daß man in England, ohne durch das.ju8
divinum fich schrecken zu lassen, den kanonischen Rechtssatz nie hat
anerkennen wollen; daß man selbst im nördlichen Deutschland bis
über die Reformation hinaus sich es auch nicht zur Sünde gerechnet
zu haben scheint, bei dem herkömmlich -profanen Rechte zu bleiben.
Und wiewohl sonderbarer Weise nach der Reformation in Sachsen
einige protestantische Juristen die Rechte der Mautelkinder, als in
jure divino begründet, vertheidigten^), obschon mit dem Erlöschen
des saeramentalischen Charakters der Ehe davon eigentlich gar nicht die
Rede sein konnte, so finden wir doch sonst nicht, daß bei Gelegenheit
der vielen Gesetze, welche die Ausschließung der Mantelkinder von
der Lehnssueeession im 16. und 17. Jahrhundert festsetzten, im Ge-
ringsten ein derartiges Bedenken hervortrat, so daß selbst der Kaiser
Ferdinand Hl. im I. 1640, zu einer Zeit, wo man ketzerischen Leh-
ren doch wohl keinen Eingang zu verstatten geneigt war, eine Lan-
desverordnung für Böhmen erließ, die sich weit entschiedener, als es
in den meisten protestantischen Ländern der Fall war, gegen die
Mantelkinder aussprach. Eben so wenig war in dem streng katholi-
schen Venedig der angeblich göttliche Ursprung der Legitimation durch
nachfolgende Ehe ein Hinderniß, die Mantelkinder durch einen Se-
natsbeschluß vom I. 1617 von aller Nachfolge in Fideieommisse,
wenn der Stiftungsbrief nicht speeiell auf sie gerichtet war, auözu-

6) Die einzige noch angeführte Aeußerung, in welcher aber nur sehr indirekt
auf einen solchen göttlichen Ursprung der Legitimation hingcdeutet wird,
ist die des Feudisten Andreas de Isernia (s. Dieck, Beitr., S. 25d):
quia princeps hoc facere potest, multo fortius matrimonium quod est
de jure divino et communi.
7) S. Gegenwärtige Lage, S. 120. Vgl. selbst Duplik, S. 126.
8) S. bes. Duplik, S. 121. 148.

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