Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 16 (1856))

Die öffentliche Anklage in Deutschland. 291
nach Vertreter der Vermögensinteressen des Fiscus waren, sowie
der sog. fiscalische Prozeß 95), iss allerdings eine im Mittelalter
weit, und auch, wie sodann nachgewiesen werden soll, über Deutsch-
land verbreitete Idee gewesen. Die Idee aber, welche gerade diesen
recipirten Procuratorcn zu Grunde liegt, ist römisch. Die Functio-
nen des römischen advocata fisci sind diejenigen, welche im Mittel-
alter den Procuratoren des öffentlichen Wesens obliegen. Der
römische Unterschied zwischen procurator und advocatus fisci ist im
Mittelalter verwischt oder verändert worden. Die Ausführung
dieser Idee fand vorzüglich in Deutschland einen guten Anschluß-
punct. Wir haben im vorigen Abschnitte nachzuweisen versucht, wie
eng sich die öffentliche Anklage mit der Vertretung der fiscalischen
Interessen verband, und wie selbst bei einzelnen germanischen Stäm-
men ein besonderes Amt für beide Functionen bestanden hat. Frei-
lich stand im früheren Mittelalter die Amtsklage wieder ganz isolirt
da, allein immer war das fiscalische Interesse im Hintergrund deut-
lich zu erkennen. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß man mit
der Reception des römischen Rechts und vieler romanischen Rechts-
bildungen, als eine solche das Fiscalat in Deutschland überkam,
und darin einen passenden Ausdruck für eine jedenfalls auch ger-
manische Idee fand. Wenn auch bei dem anerkannten Untersuchungs-
prinzip des germanischen Strafprozesses ein peinlicher Ankläger zur
Vertretung des Gemeinwesens bestellt war, wenn auch bei Streitig-
keiten, welche den Richter als solchen betrafen, weil er nicht Richter
und Kläger zugleich sein konnte, ein Anwalt, Vorsprake u. dgl.
als Kläger für den Richter auftrat, besonders in expiationibus ju-
dici debitis und peinlichen Sachen 06), so läßt fich doch das Fiscal-
amt, weil es nur in Betreff der öffentlichen Klage mit der
deutschen Anklägerschaft des Mittelalters übereinstimmt, nicht als
ein germanisches Institut bezeichnen, wie v. Pufendorf und
Meister gethan haben. Die amtliche Anklage ist eine germanische
Einrichtung, denn fie war ja lange vor dem Auftauchen des Fis-
calats in Deutschland, und auch noch nachher an vielen Orten
selbstständig im Gebrauch; sie wurde aber mit dem Amt der Fis-
cale, welche gerade in der Zeit, wo die Amtsklage in Deutschland

95) Biener, a. a. O.
96) Meister, a. a. O. S. 203.

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