Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 16 (1856))

Beitrag zu den deutschen Rechtssprichwörtern. 97
2) Ein Mann, ein Wort.
Denn auch dieses läßt eine weit allgemeinere Bedeutung, als
diejenige zu, in der es gewöhnlich genommen wird, gleich als
ob es die Geltungen, die es nach den verschiedensten Richtungen
hin für sich beansprucht, gegenseitig durch einander und durch deren
Vergleichung zu bestärken suche. .Zuvörderst heißt nämlich „Ein
Mann, ein Wort" doch wohl nichts Anderes, als „das was ein-
mal gesagt, behauptet, versprochen worden ist, soll dem Manne
für sein Leben, als ebenso unantastbar gelten, wie er selbst zu sein
sich für berechtigt hält", oder „wie er selbst in allem Wechsel der
Verhältnisse doch stets Einer und Derselbe ist und bleibt, so soll
er auch in seinen Worten unwandelbar und nicht doppelzüngig, son-
dern wahr und treu sein." Darum wird das Sprichwort auch so
ausgedrückt „Ein Wort, ein Wort; ein Mann, ein Mann."
vgl. Eisenhart a. a. 0. S. 340. - Oder „Ein Mann, ein
Wort; ein Wort, ein Mann." Körte a. a. O. S. 502 ff. no.
7005 und 7006.
In diesem Sinne sind also Wort und Mann Eins.
Denn Ersteres ist der wahre Ausdruck seines Selbst, seiner inner-
sten Gedanken, seines unabänderlichsten Willens, und er selbst ist
Bürge für sein Wort. Daß nun aber diese Idee es war, die man
von einem „unbescholtenen Manne" sich machte, wovon das deutsche
Recht überall ausging; dies zeigt sich nicht nur in einzelnen Vor-
schriften, wie z. B. im Sachsensp. I. 7 We so icht borget oder
lovet, de scal it gelden, unde wat he deit, dat seal he stede hol-
den. — Sondern auch das ganze Verfahren vor Gericht ist in der
That auf die Ueberzeugung basirt, daß man theils Grund genug
habe, einem unbescholtenen Manne Glauben zu schenken; theils um-
gekehrt demjenigen, der diesen Glauben verscherzt hat, auch Rechte,
die ihm sonst wohl gebühren würden, nicht mehr zugestehen könne.
Namentlich das Gewicht, das man in der Beweisführung auf den
Eid legte, und die weite Ausdehnung, die man dessen Gebrauche
gab, konnte sich nur auf die innigste Ueberzeugung gründen, daß
das Wort desjenigen, der die Wahrheit einer bestrittenen Thatsache
am besten wissen könne, allerdings auch die Achtung verdiene, die
ihm für sich selbst und für seine eigene Person gebühre. Wo das
Wort nicht gilt, wo das eigene Gewissen den Lügner nicht schon
wegen Verletzung der Selbstachtung und wegen des Widerspruches
Zeitschrift für deutsches Recht. 16. Bd. i. H. 7

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