Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 12 (1902))

Oertel, Auslegung der Worte „bei Beendigung" des Dienstverhältnisses., 29
Der Antrag fand indes nicht die Zustimmung der Mehrheit des
Reichstags, nachdem der Berichterstatter der Kommission folgendes aus-
geführt hatte:
„In der Kommission ist der Antrag mit recht erheblicher Majorität
deshalb abgelehnt worden, weil, wenngleich bei der Kündigung das Zeugnitz
verlangt wird und ertheilt werden mutz, naturgemäß zu erwarten sein
wird, daß von diesem Moment ab Mißhelligkeiten zwischen den Dienst-
berechtigten und Dienstpflichtigen entstehen. Auch wird in vielen Fällen
die sofortige Ertheilung des Zeugnisses dem Dienstpflichtigen nicht einmal
günstiger sein. Hat er gekündigt, so ist in diesem Moment aus der andern
Seite eine gewisse Erregtheit vorhanden. Hat die andere Seite, die doch
einen Grund zur Kündigung haben wird, gekündigt, so wird sie erst recht
geneigt sein, gleich mit der Kündigung ein weniger gutes Zeugniß aus-
zustellen, so daß in der That anzunehmen ist, daß diese Vorschrift
nicht zum Vortheil des friedlichen Verhältnisses zwischen beiden Theilen
dienen wird."
Schon hiernach — wie auch nach dem Wortlaut des 8 630 des
Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, was unten noch näher ausgeführt
werden soll — kann es nicht zweifelhaft sein, daß als Zeitpunkt, zu welchem
der Dienstpflichtige gemäß 8 630 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs
ein Zeugniß zu fordern berechtigt ist, der Zeitpunkt der Beendigung des
Dienstverhältnisses —kein früherer und kein späterer Zeitpunkt — zu
gelten hat, das Zeugniß insbesondere nicht schon bei der Kündigung ge-
fordert werden kann?
Die hier wiedergegebene Entstehungsgeschichte' der Eingangsfassung
des 8 630 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs ist von Bedeutung für
die Auslegung der Bestimmung in 8 73 des Handelsgesetzbuchs.
Die herrschende, in der Literatur wohl allseits getheilte Meinung
steht bezüglich der Zeugnisse der Handlungsgehilfen auf einem der zu 8 630
des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs eben entwickelte Ansicht entgegen-
gesetzten Standpunkte.
Nach ihr kann der Handlungsgehilfe schon mit dem Tage der Kün-
digung^ und bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch vertraglichen

1 So auch Oertrnann, Das Recht der Schuldverhältnisse S. 349,,; Planck,
Kommentar zum B-G-B. Bd. 2 S. 368.,; v. Staudinger, Kommentar zumB-G-B-
Bd. 2 S. 4372».
* So Fuld, Das Recht des Handlungsgehilfen S. 54; Horrwitz, Das Recht
deS Handlungsgehilfen S. 83; Böhm, Das neue Recht des Handlungsgehilfen
S. 13; Staub, Kommentar zum H-G-B. 7. Aufl. Bd. 1 S. 2872; Goldmann,
Kommentar zumH.G-B- Bd.1 S. 354,; Makower, Kommentar zum H-G-B-12. Aufl.

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