Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 12 (1902))

2.4. Zur Auslegung der Worte "bei Beendigung" des Dienstverhältnisses in § 650 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 73 des Handelsgesetzbuchs

28 Oertel, Auslegung der Worte „bei Beendigung" des Dienstverhältnisses.

Jur Auslegung der werte „bei Beendigung" des Dienstverhält-
nisses in § 630 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs und
8 75-es Handelsgesetzbuchs.
Von Regierungsassessor vr. Oertel in Dresden.
Nach dem übereinstimmenden Eingänge der Vorschriften in § 680 des
Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 73 des Handelsgesetzbuchs können
die aus Dienstvertrag Verpflichteten und die Handlungsgehilfen „bei Be-
endigung" des Dienstverhältnisses ein Zeugniß fordern.
Die Auslegung der Worte „bei Beendigung" des Dienstverhältnisses
ist nicht unbestritten. Können beide Klassen von Dienstpflichtigen das
Zeugniß auch schon vor, auch noch nach Beendigung des Vertragsver-
hältnisses fordern, und bejahendenfalls wie lange vor, wie lange nach diesem
Zeitpunkte?
Zur Entscheidung der Frage bietet die Entstehungsgeschichte der beiden
Vorschriften beachtliche Aufschlüsse.
Bei Berathung des 8 630 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs
— damals 8 620 — in der vom Reichstage zur Vorberathung des Ent-
wurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs niedergesetzten Kommission war an-
geregt worden, die Verpflichtung des Dienstberechtigten zur Ausstellung
eines Zeugnisses schon mit der Kündigung des Dienstverhältnisses beginnen
zu lassen. Dies wurde aber abgelehnt, weil „die Ausstellung eines Zeug-
nisses vor Endigung des Dienstverhältnisses, wenn das Zeugniß ein
schlechtes sei, dem Dienstberechtigten den Rest der Dienstzeit häufig zu ver-
leiden geeignet sein würde"?
Bei der zweiten Lesung des Entwurfs im Reichstage wurde der An-
trag in der Sitzung vom 22. Juni 1896 wieder ausgenommen. 8 620
sollte folgenden Eingang erhalten: „von der Kündigung an, und falls eine
Kündigung nicht stattgefunden hat, bei der Beendigung". -
Zur Unterstützung des Antrags wurde von einer Seite darauf hin-
gewiesen, daß er in der That eine Verbesserung des Entwurfs enthielte,
„weil nach der Vorlage diese Vergünstigung bloß im Zeitpunkte der
Beendigung des Dienstverhältnisses zutreffen würde, während es für den
Dienstpflichtigen sehr erwünscht sein könne, schon vorher, sobald gekündigt
ist, diese Vergünstigung zu haben"?

1 Bericht der Reichstagskommission über den Entwurf eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs (Berlin, I. Guttentag) S. 84.
s Stenographische Berichte des Reichstags (I. Guttentagsche Ausgabe) S. 358.

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