Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 12 (1902))

26 du Chesne, Der Schadenersatz bei Verletzung absoluter Rechte.
Aufhetzen), des Streiks rc. nur dann privatrechtlich beachtlich, wenn die
Absicht des Schädigers von vornherein aus Schädigung des Dritten und
nicht auf Verfolgung allgemeiner Zwecke geht, die diese Schädigung nur
im Gefolge hat, ohne daß der Schadenstistende sie als bonus pater familias
in Betracht zu ziehen braucht. Das alles sind Fragen des einzelnen Falles.
Das Bürgerliche Gesetzbuch gewährt aber auch diesen Interessen Schutz,
und zwar durch die Blankettvorschrift des 8 826., Sie lautet:
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem
Anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem Anderen zum Ersätze des
Schadens verpflichtet.
Das Gesetz nimmt also, wie im Vertragsrechte zu „Treu und Glauben",
so hier zu den „guten Sitten" seine Zuflucht; es führt einen außerhalb
des eigentlichen Rechtsgebiets im Gebiete der Moral liegenden Faktor in
das Recht ein. Zwar decken sich die Begriffe Moral und gute Sitten
nicht, aber die Moral umfaßt die guten Sitten mit; sie sind die Moral
des täglichen Lebens. Die Sitte verfolgt aus ihrem Gebiete die gleichen
Ziele wie das Recht; wie die Vorschriften des absoluten Rechts, so sucht
auch die Sitte die egoistischen Triebe der Menschen in vernünftiger Weise
gegeneinander abzugrenzen und in gewiffe Schranken einzuschließen. Wenn
sich daher die Vorschriften des absoluten Rechts in die Vorschrift zusammen-
fassen lassen: du darfst nicht in die Rechtssphäre anderer eingreisen, so
lautet das entsprechende sittliche Gebot: du darfst nicht in die berechtigten
Interessen anderer, mögen sie rechtlich geschützt sein oder nicht, eingreisen;
neminem laeäe! Die Sitte belebt und durchzieht das Recht, wie der Saft
den Baum; während aber, was die Sittlichkeit in den Verhältnissen des
täglichen Lebens erfordert, seinen Niederschlag in Rechtssätzen gefunden
hat, ist dies- jemehr die Jnteressenkonflikte sich verfeinern und verinner-
lichen, destoweniger der Fall, bis bei den Sätzen der Ethik, die den Egoismus
zur höchsten Verfeinerung bringen, der Rechtsschutz überhaupt versagt und
nur der sittliche Imperativ übrig bleibt: du sollst!
. Daß der Begriff der guten Sitten mit dem der Sittlichkeit im Grunde
zusammenfällt, ist auch in den Materialien des Gesetzes zum Ausdruck
gekommen. In den Protokollen ist gerade bei Besprechung der illoyalen
Handlungen gesagt: „Die fahrlässige Verletzung einer fremden Interessen-
sphäre durch eine illoyale Handlung werde selten Vorkommen. Jedenfalls
sei darin kein so schwerer Verstoß gegen die öffentliche Sittlichkeit zu
finden, daß der Gesetzgeber einzuschreiten Veranlassung habe."
Der Gesetzgeber geht nun mit Recht davon aus, daß Handlungen,
die nicht einem Rechtssatze, sondern nur der guten Sitte zuwiderlausen,
doch schädigende Wirkungen auf die Rechtssphäre eines andern Menschen

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