Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

354 Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
„beede Stuben auf dem Rachhause eröffnet, und der Umstand von
„denen erschienenen Centunterthanen hineingelassen. Wenn nun diese
„beisammen, so muß der Centgrav mit dem Centgerichte aufstehen,
„den Gerichtsstab in die Hand nehmen und das Centgericht im Na-
„men Sr. Herzoglichen Durchlaucht behegen und verbannen; und
„wenn er den Amtsburgermeister befraget, ob seines gnädigsten
„Fürsten und Herrn Centgericht mit Richtern genugsam besetzet, auch
„beheget und verbannet sey und derselbe mit Ja geantwortet, so
„setzet sich der Centgrave mit dem Centgerichte wiederum nieder."
Hieraus geht hervor, wie auch an den Verhandlungen auf dem
Nachhause immer noch das Volk im Ganzen als theilnehmend ge-
dacht wurde , indem nicht blos die zunächst Umstehenden als Ver-
treter desselben eingelassen, sondern auch der übrigen Menge durch
gewisse Zeichen der Zeitpunct der Handlungen angezeigt wurde, um
sie zur Theilnahme oder doch zum achtungsvollen Stillschweigen
während derselben einzuladen.
Es scheint unserer Zeit selbst das Verständniß solcher auf das
Gericht, die Angeklagten und die Umstehenden wirkenden Formen
verloren gegangen zu se n; ob aber die Würde der Gerichte, die
Wirksamkeit der gerichtlichen Handlungen und das Vertrauen des
Volks zu denselben unter der jetzigen gerühmten Einfachheit gewon-
nen haben, ist eine andere Frage.
Schon daß das entscheidende Gericht sogar für die zunächst
Betheiligten unsichtbar bleibt, ist eine Unnatur, woran man sich in
Deutschland nur dadurch gewöhnen lernte, daß früher die rechtsun-
kundigen Stadtgerichte Ln wichtigeren Fällen die verhandelten Acten
an irgend eine Juristenfacultät oder einen gelehrten Schöppenstuhl
zur Abfassung des Urtheils einschickten, um sodann solches, wie eine
höhere Rechtsoffenbarung, maschinenmäßig zu verkünden. Noch ein
größerer Abstand ist es von den früheren feierlichen Gerichtssitzun-
gen, wenn jetzt die ganze Untersuchung im Amtszimmer oder gar im
Schlafzimmer hes Actuars oder Referendärs zu Ende geführt wird.
Doch wir wollen ja nicht die Zweckmäßigkeit des öffent-
lichen Verfahrens, wofür sich auch in Württemberg die Stimmen
angesehener Practiker erhoben haben2l), beweisen, sondern nur den

-1) Eine Würdigung der Grundlagen der neuen Sirafproceßordnnng
zu Gunsten der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit und des Anklage«

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