Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

350 Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
Es ist traurig, diese Frage noch aufwerfen zu müssen Ln einer
Zeit, wo man in Deutschland endlich belehrt sein sollte, daß alle
Größe Ln den Staatseinrichtungen Englands und Frankreichs auf
deutscher Grundlage ruht, und daß Deutschlands Erniedrigung von
der Zeit an sich schreibt, wo es sein gutes einheimisches Recht an
griechisches und römisches, und vor Allem an päpstliches Recht hin-
gab; doppelt traurig, dieses fremde Recht gegen jenes einheimische
mit der Einwendung geschützt zu sehen, daß deutsches Recht nicht
mit „wälschem" vertauscht werden wolle.
Es war ein Franzose"), der etf den Deutschen sagte:
§i Ion reut lire l’admirable ouvrage de Tacite sur les
* moeurs des Germains, on verra que c’est d'eux que les
Anglais ont tire l'idee de leur gouvernement politique. Ce
beau Systeme a ete trouve dans les bois.
Aber Voltaire durste auch hinzusetzen:
Pourquoi n'avoir pas trouve plutot la diete de Ratis-
bonne que le parlement d'Angleterre dans les forets d’Al-
lemagne? Ratisbonne doit avoir profite plutot que Londres
dun Systeme trouve en Germanie.
Freilich kann auch das Fremde, wenn es bei uns ausgenom-
men (und bekannt ist nicht blos die Vorliebe der Deutschen für das
Fremde, sondern auch ihre Fertigkeit in Aneignung desselben) als
einheimisch in gewissem Sinne bezeichnet werden, und hinwieder er-
klärt es sich, wie uns das Einheimische, nachdem es längere Zeit
verschwunden, als fremd erscheinen kann. Aber ist denn die deutsche
Gerichtsverfassung (darunter verstehe ich das mündlich öffentliche An-
klageverfahren vor aus dem Volke hervorgehenden Richtern) wirk-
lich, wie hinwieder behauptet worden, seit 300 Jahren gänzlich ver-
schwunden?
Ich will hier nicht wiederholen, was Attdere, namentlich
Maurer, Büchner von dem allmäligen Abkommen, aber auch
von den späteren Ueberresten jener Verfassung mitgetheilt haben, son-
dern mich darauf beschränken, aus dem heutigen Württemberg Eini-
ges anzuführen.
Die altdeutsche Gerichtshegung unter freiem Himmel hatte al-
lerdings zum Theil schon im 14. und 15. Jahrhundert der beschränk-

13) Montesquieu de l’esprit des lois, livre 11, ch. 6 i« f.

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