Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

der Rechtspflege. 349
die bis zum I. 1806 bestandene Einrichtung der peinlichen Rechts-
lage anschließt, welche gleichfalls zuletzt nichts anders geworden wa-
ren, a*s öffentliche Schlußsitzungen, worin Schriftsätze abgelesen und
die Urtheile verkündet wurden 12).
Wir wollen nun aber auch die Gründe, welche für die Ein-
führung einer wahren Oeffentlichkeit und Mündlichkeit außerhalb
Preußens, namentlich in Württemberg, sprechen, mit gleicher Frei-
müthigkeit darlegen. Vor Allem ist nicht zu verkennen, daß die
preußische Rechtsverwaltung durch die seit geraumer Zeit Ln den
Rheinlanden bestehenden fralhösischen Einrichtungen reiche Erfah-
rungen über die Vortheile und Nachtheile derselben zu sammeln Ge-
legenheit hatte, und, wenn sie gleichwohl die ersteren jetzt für über-
wiegend erkennt, dazu unfehlbar nicht durch blos äußerliche Erwä-
gungen bestimmt worden ist, wie denn namentlich der Grund, wel-
cher der württembergischen Kammer gegenüber geäußert wurde: daß
Preußen keine Verfassung habe, wohl aber Württemberg, für beide
Theile zu ganz entgegengesetzten Folgerungen führen könnte. Der
nationale Standpunkt, von welchem aus die deutschen Regierungen
etwaige Aenderungen Ln ihrer Gesetzgebung zu betrachten haben, ist
unseres Erachtens allwärts der gleiche, nämlich der deutsche.
Der Boden, worauf die preußische Gesetzgebung seit dem vorigen
Jahrhundert steht, ist sogar vorzugsweise ein deutscher zu nennen,
und mit Gewißheit läßt sich erwarten, daß sie diesen Boden, wor-
auf die Zukunft Deutschlands beruht, nimmer verlassen wird. Sind
nun aber die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens und
das darauf gegründete Anklageverfahren deutsche oder sind sie fremd-
ländische Einrichtungen?

12) Die gesetzliche Regel war jedoch, daß in peinlichen Sachen mit
mündlichem „Fürtragen zu derselben Beschleunigung procedirt"
und die schriftliche Verhandlung nicht ohne besondere gerichtliche
Erlaubniß zugelassen werden solle. Auch war das feierliche öffent-
liche Anklageverfahren mit Lautung des Malefizglöckleins in allen
peinlichen Sachen „wo es Ehr, Leib oder Leben anbetrifft" ange-
ordnet, ausgenommen, wenn es Ausländer, oder das schädliche
Zauner«, Zigeuner- und Vaganten-Gesindel angieng; Hinsichtlich
jener solle es bei dem gemeinen modo procedendi, vel via inquisi-
tionis, hinsichtlich dieser bei den Kreis-Edicten bewenden. Malefiz-
Ordnung vom 4. April 1732. sect. 4. tit. 1. §. 9. 14.

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