Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

348 Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
aber auch für dieselbe sich aussprechen. Zu den letzteren gehören
die Gerichtshöfe in Tübingen und Elwangen, von welchen dieser Ln
der Oeffentlichkeit die sicherste Bürgschaft gegen etwaige Eigenmacht
des Richters und das beste Mittel findet, dem Bürger Achtung für
eine pflichteifrige Magistratur einzuflößen und damit die Herrschaft
des Gesetzes fester zu begründen. Auch die um ihr Gutachten be-
fragte Juristenfakultat in Tübingen (Ref. Scheurlen) sprach sich
im Jahr 1829 für den Grundsatz der Oeffentlichkeit im Strafver-
fahren aus, glaubte aber, daß man den Schutz durch materielle
Rechtsmittel gegen die französische Mündlichkeit des Verfahrens
nicht vertauschen, sondern eine Einrichtung treffen sollte, wodurch
die wichtigste Einwendung gegen das schriftliche Untersuchungsver-
fahren beseitigt werde, daß der entscheidende Richter nur auf Acten
zu erkennen habe, bei welchen er nicht überzeugt sein könne, daß
sie alle für die Entscheidung wichtigen Momente treu und vollstän-
dig enthalten.

Man sieht, die Frage ist in ihrer ganzen Wichtigkeit sowohl
von dem württembergischen als von dem preußischen Ministerium
erkannt und erwogen worden, und wenn ersteres gleichwohl nicht
zu dem vollen Ergebnisse gelangt ist, wie die Aufsichts-Behörde für
die preußische Rechtsverwaltung, so hat dieß nicht in einer Gering-
schätzung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens an sich
seinen Grund, sondern in der Ansicht, welche auch von dem preu-
ßischen Iuftizminister in Gesetzessachen getheilt wird, daß gegen diese
Güter nicht die Vortheile des gegenwärtigen schriftlichen Verfahrens,
namentlich die darauf beruhende . Möglichkeit einer materiellen Be-
schwerdeführung, aufgeopfert werden dürfen. Gleichfalls kommt in
Erwägung, daß die kvm'gl. preußische Gesetzgebung wohl noch ganz
andere Rücksichten zu nehmen hat, als die württembergische; denn
wenn die preußische Staatsregierung allerdings gute Gründe haben
mag, eine gemeinsame Gesetzgebung für die sämmtlichen Bestand-
theile des einherrlichen Staats dadurch möglich zu machen, daß von
den Einrichtuugen der neuen Lande Einiges auf die alten übertragen
wird, und umgekehrt, so gilt dieser Grund nicht auch für Württem-
berg und die anderen deutschen Staaten, welche das gemeine Recht
beibehalten haben; in Württemberg scheint vielmehr der neue Ent-
wurf den geschichtlichen Boden für sich zu haben, indem er sich an

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