Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

346 Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
net ist, daß diese unmittelbare Anschauung keinenfalls gegen
grobe Jrrthümer des Richters stcherstellt, und daß gleich-
wohl Rechtsmittel, welche eine wiederholte Prüfung der
Thatfrage bezwecken, mit dem mündlichen Verfahren un-
vereinbar sind.
Was übrigens im Sinne dieser Proceßform auf der
Grundlage des bisherigen Verfahrens geschehen kann,
glaubt die Staatsregierung in den Artikeln 334—335
(340 — 341) 337 (343) des Entwurfes vorgeschlagen zu
haben. Nach diesen Bestimmungen erhalt der Angeschul-
digte in wichtigeren Straffällen Gelegenheit, dem erken-
nenden Richter seine Einwendungen gegen den Inhalt der
Acten vorzutragen. Zugleich ist dem Publikum freigestellt,
genauere Kenntniß von den Beweismitteln für die Anschul-
digung zu nehmen, und es kann sich überzeugen, daß der
Richter der Vertheidigung den weitesten Spielraum ver-
stärke. —
Die hieher gehörigen Entwurfsbestimmungen w) sind folgende:
1) Das Verfahren vor den Bezirksgerichten ist, wie bisher,
nicht öffentlich.
2) Bei Strafsachen, worüber die Kreisgerichte zu entscheiden
haben, wird in dem Falle, wenn nach Lage der von dem Bezirks-
gerichte geführten Untersuchung eine höhere Strafe, das heißt
mindestens eine Zuchthausstrafe (Freiheitsstrafe von fünf oder mehr
Jahren in einem sogenannten Zuchthause), oder wegen vorhandenen
Verdachts eines so bestraften Verbrechens blos Entbindung von der
Instanz begründet ist, eine öffentliche Schlußverhandlung von dem
erkennenden Gerichte vorgenommen, worin der nunmehr aufzu-
stellende Staatsanwalt die Anklageacte, der Vertheidiger des An-
geschuldigten die Schutzschrift vorzutragen hat, und dem Angeschul-
digten selbst Gelegenheit zu geben ist, persönlich zu seiner Verthei-

10) S. Revidirter Entwurf einer Straf-Prozeß-OrdttNttg für das Kö-
nigreich Württemberg. Stuttgart 1840.

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