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Das Erbrecht der adelichen Töchter.
m'ger geschlossen werden, als die Verzichte in der Regel nur zu
Gunsten der Brüder lauten.
Was die vormals landsäßige Ritterschaft betrifft, so ist
zwar in einigen Landesgesetzen die Verbindlichkeit der adelichen Töch-
ter zum Erbverzicht gegen die Brüder anerkannt worden, mit der
Bestimmung, daß jene auch ohne Verzicht gleichwohl sür Verzicht-
töchter gehalten werden. Allein eine gemeine Regel kann hieraus
für die Nothwendigkeit des Verzichts in anderen Staaten, wo jene
Gesetze nicht gelten, keineswegs hergeleitet werden. Selbst das neue
baierische Landrecht, welches die Brüder noch am meisten begün-
stigt, schließt die Töchter zu deren Gunsten nur von der väter-
lichen, mütterlichen, brüderlichen, nicht aber von andern
Erbschaften aus 88). Auch fügt dasselbe noch besonders bei. daß die
Bestimmung hinsichtlich der ipso jure Renunciation nur von dem
gefreieten Landesadel gelte, die übrigen adelichen Töchter aber
ohne ausdrücklichen Verzicht pro renunciatis nicht zu halten seien,
es wäre denn solches von Alters also hergebracht8^).
§. 4. Reichsritterschaftliches Privatrecht.
Nach einem bei Burgemeister, reichsritterschaftliches corpus
juris oder codex diplomaticus (Ulm 1707) S. 534. 535 abgedruck-
ten Statut, gefertigt Geißlingen den 12. Februar 1653 (s. g. sta-
tutum Geislingense) ist unter der freien Reichsritterschaft der drei
Kreise in Schwaben, Franken und am Rhein verabredet worden:
daß „nun hinführo" den adelichen Töchtern, so lang sie unver-
heirathet, standesmäßiger Unterhalt und, im Fall der Verheirathung,
für die väterliche, mütterliche und brüderliche Verlassenschaft von ih-
ren Eltern oder, auf deren Abgang, von den beiderseitigen nächsten
Freunden, und da sie sich nicht vergleichen könnten, von eines jeden
Orts und Viertels oder Theils Direktoren, Ausschuß und Rächen
88) Cod. Maximil. Thl. III. cap. 11. §. 8: „Vielweniger extendirt sich
9no. das Gesetz auf Erbschaften, welche die Töchter nicht von Vater,
Mutter oder Bruder, sondern von andern Befrenndten in auf- und
absteigender oder Cottateral-Linie erlangen."
89) a. a. O. §. 8. nro. 15. v. Kreittmayr, Anm. zu diesem §. 8.
nro 4 U. 5.