Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

Das Erbrecht der adelichen Töchter. 285
den keine andere Erbverzichte gültig sein sollten, als welche mit
einem Eid bekräftigt worden, begünstigte vielmehr dieselben, indem
durch Beobachtung jener Form, welche übrigens nie zu einer all-
gemeinen Geltung gelangte, den romanisirenden Rechtsgelehrten der
Vorwand genommen wurde, sie anzutastcn.
Auch Eichhorn ^) muß zugeben, daß selbst bei dem Herren-
stande seit dem 15. Jahrhundert (also vor Aufnahme des römischen
Rechts) das Herkommen sich augenscheinlich überall zum Vortheil
der Töchter gebildet habe; auch schließe kein späteres Rechtsbuch die
Töchter aus; ebenso lasse sich auch aus den Urkunden ein
sie ausschließendes Herkommen in Deutschland über-
haupt nicht darthun. Dadurch sollen nun die Erbverzichte all-
mälig eine Bedeutung erhalten haben, während dieselben Anfangs,
wenigstens den Brüdern gegenüber, als bloße Kautel betrachtet
worden seien. Dieser Ansicht, verglichen mit dem, was der genannte
Gelehrte an andern Orten sagt (Einl. §. 349), vermag ich nur in-
sofern nicht beizustimmen, als dabei von der Voraussetzung ausge-
gangen sein sollte, daß das römische Recht die angegebene Ver-
änderung hervorgebracht habe, und als ob die Verzichte im I3ten
Jahrhundert gar keine wahre Verzichte gewesen wären. Die Erb-
verzichte stehen nämlich mit dem Erbrecht der Töchter nur insofern
Ln Verbindung, als sie ein solches Erbrecht, und zwar ein wahres
Erbrecht, immer voraussetzten. Dieses fand aber, wie wir gezeigt
haben, schon zur Zeit des Schwabenspiegels, also im I3ten Jahr-
hundert, auch neben Brüdern statt. Die Verzichte, wofern sie auf
väterliche und mütterliche Erbschaft überhaupt gerichtet waren, hat-
ten hiernach schon damals eine Bedeutung. Nur in Sachsen und im
übrigen Norden hatten sie diese Bedeutung in der Regel noch nicht;
daher treten auch dort Erbverzichte später hervor.
Hiebei ist übrigens Eichhorn auch noch das zuzugeben, daß die
Verzichte damals th eilw eise als Kautel erscheinen konnten, sofern
einmal das volle Erbrecht der Töchter noch nicht allgemein aner-
kannt war, und dann auch noch in der Rücksicht, weil ihr Gegen-
stand in der Regel ein sehr gemischter und daher mehr oder weni-
ger ungewisser war, sofern sich nämlich nicht immer vorausbestimmen
ließ, ob nicht die Töchter durch das Zusammentreffen mit Söhnen

55) Staats - und Rechtsgeschichte §. 454. Anm. k).

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