Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

Bluiitschli: reformirte Kirchenverfaffung. 167
fluß auf wichtige Lebensverhältnisse geworden. Von der rechten Ein-
sicht in das Wesen der Kirche und ihrer Beziehung zum Staate
hängt zum Thcil der Frieden des Staates ab. Die Wissenschaft
darf daher nicht länger säumen, um ihrerseits jene Einsicht zu för-
dern. Als eine Gabe für diesen Zweck soll die folgende Betrachtung
dienen.
Für eine rechte Darstellung der Kirchenverfassung der refor-
mirten Kirche ist noch sehr wenig geschehen. Und doch nimmt sie
nicht bloß der katholischen, sondern auch der lutherisch-protestantischen
Kirchcuverfassung gegenüber eine eigenthümliche Stellung ein. Sie
hat ein eigenthümliches Lebensprincip.
Um dieses zu erkennen, wird es nöthig sein, auf den Grund
zu gehen und ihre Entstehung, ihre erste Erscheinung im Leben nä-
her zu betrachten.
Wenn eine Idee neu zur Welt kommt oder neue Gestaltungen
in der Welt annimmt, da ist immer das Moment ihrer Entstehung,
gewisser Maßen ihrer Menschwerdung, das wichtigste. In diesem
Momente, wo die geistige Empfänglichkeit, daö geistige Bedürfniß
aufgeregt ist, die Vorbedingungen, auf deren Stufe sich der neue
Gedanke erheben soll, erfüllt sind, die schöpferische Kraft sich ent-
ladet und zündet, die Form der Erscheinung, der Leib der Idee, sich
bildet aus den vorhandenen Stoffen, welche die Welt darbietet und
unter dem Einflüsse auch dieser: in diesem Momente ist eben das
Entscheidende geschehen und alles Folgende ist gewöhnlich nur wei-
tere Entwickelung, Aus- und Durchbildung im Leben, Krankheit,
Auflösung und Tod. Nur selten wird dieselbe durch neue schöpfe-
rische Thätigkeit wieder befruchtet und umgestaltet. Oester ist, was
man für diese hält, nur der nagende Wurm der Zerstörung.
Die Idee der christlichen Kirche als einer Gemeinschaft der
Gläubigen, gestiftet und beherrscht von Christus, ist allen christlichen
Confessionen, allen besondern Kirchengestaltungen gemeinsam. Aber
in wesentlichen Dingen gehen sie sodann auseinander Um die re-
formirte Ansicht darzustellen, müssen wir sogleich auf den Haupt-
punkt, das Verhältniß der Kirche zum Staate, eintreten.
Da ist es denn sofort zu beachten, einmal, daß die reformirte
Kirche zuerst in der Schweiz sich bildete und von da aus in der er-
sten Zeit ihren geistigen Anstoß erhielt; zweitens, daß Zwingli
ihr erster Stifter war.

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