Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 6 (1896))

Auszüge aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts. 711
Bei solcher Sachlage ist dem Klager nicht anzusinncn, sich selbst zum Ersatz seines
Schadens dadurch zu verhelfen, daß er die Güter vom Beklagten heraussordert,
sie im Jnlande anderweit zu verkaufen versucht, und dann die Differenz vom
Beklagten cinsordert. Voller Schadensersatz wird vielmehr dem Kläger nur durch
die vom Berufungsrichter ausgesprochene Verurteilung des Beklagten zur Zah-
lung der Fakturabeträge geleistet. I. 260/96 vom 28. 10. 1896.
6. Das O.L.G. hat mit Recht ausgeführt, daß die Befugniß des Klägers,
auf feinem eigenen Grundstück zu schlachten, nicht auf einem besonderen ihm zu-
stehenden Rechte beruhte, sondern nur ein Ausfluß der allgemeinen menschlichen
Freiheit war, zu thun, was nicht verboten ist, welcher so gut wie ihm, auch jedem
Anderen zu Gute kam, der innerhalb der ehemaligen Vorstadt St. Pauli schlachten
wollte, und daß ebenso alle anderen Grundeigenthümer dieser Vorstadt unter Be-
obachtung der gesetzlichen Bestimmungen ihre Grundstücke so gut zum Schlachten
einrichten und benutzen konnten, wie das des Klägers dazu eingerichtet war und
benutzt wurde. Dann ist aber nicht abzusehen, in welches wohlerworbene Recht
des Klägers durch das (Hamburger) Gesetz eingegriffen sein sollte, das das Schlachten
außerhalb der öffentlichen Schlachthäuser auch für die ehemalige Vorstadt St. Pauli
verboten hat, vergl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 19 S. 355. Freilich
finden sich in den Gründen des Urtheils der Verein. Civilsenate des R.G.'s vom
1. 6. 1885 (Bd. 13 S. 286 flg.) Wendungen, welche die, durch die auf gesetz-
licher Grundlage ruhende Einführung des Schlachtzwangs bewirkte Entziehung der
Möglichkeit, in Privathäusern zu schlachten, als eine Einschränkung des wohler-
worbenen Rechtes des Eigenthums an solchen Häusern und an den bisher dort
zum Schlachten benutzten beweglichen Einrichtungen auszufassen scheinen; aber dieser
Auffassung, auf welcher übrigens die Entscheidung selbst dort keineswegs beruht,
und welche formell hier schon deshalb nicht im Sinne des § 137 des G.V.G.'s
in Betracht kommen würde, weil es sich dort nicht um gemeines, sondern um
Preußisches Recht handelte, könnte nicht Betgetreten werden. - Wenn der Kläger
sich noch darauf berufen hat, daß zu den wohlerworbenen Rechten auch solche Be-
fugnisse eines Einzelnengehören, die aus den die Rechte eines ganzen Standes be-
stimmenden Rechtsnormen hervorgehen, und daß es sich hier um die Rechte des
Standes der Schlachter von St. Pauli handle, so ist dem entgegenzuhalten, daß
die Schlachter von St. Pauli keinen besonderen Stand im Rechtssinne bildeten
oder bilden, und daß außerdem durch diejenigen Rechtsnormen, nach welchen der
Kläger früher auf seinem Grundstücke schlachten durfte, die Schlachter von St.
Pauli in keiner Weise vor allen übrigen Menschen, die etwa in St. Pauli schlachten
wollten, begünstigt waren. Auch § 51 der Gew.O. greift hier nicht etwa ein;
dieser gewährt einen Entschädigungsanspruch nur bei Verfügungen der höheren
Verwaltungsbehörde, durch welche die fernere Benutzung einer gewerblichen
Anlage untersagt wird, während gerade der § 23 Abs. 2 jenes Gesetzes, wo der
Landesgesetzgebung das Recht Vorbehalten wird, unter gewissen Voraus

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