12.2.
Auszüge aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.
Auszüge aus »euere» Entscheidungen deS Reichsgerichts.
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Auszüge aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.
1. Klägerin hat auf Ersuchen der Firma W. 8. zu Jüterbog an M. B.
zu Berlin 400 Mk. geschickt, nachdem ihr W. 8. ein amtlich gestempeltes Fracht-
briefduplikat übersandt hatte, nachdem sie 60 Sack Roggen bei der Gülerexpedition
der König!. Eisenbahnstation zu Jüterbog an die Klägerin eingeliefert habe. Sie
fordert vom Eisenbahnfiskus Ersatz der 400 Mk., weil der von dem Inhaber der
Firma W. 8. getäuschte Vorarbeiter 8i. das Frachtbriefduplikat abgestempelt habe,
ohne daß von W. 8. die 60 Sack Roggen eingeliefert waren; von 8i. und von
der Firma W. 8. habe Klägerin Nichts wicdererlangen können. Die Behauptung
der Klägerin, daß das 8.G. für den hier erhobenen Anspruch ausschließlich
zuständig wäre (§ 509 Nr. 2 C.P.O.), wurde vom R.G. zurückgewiesen. Klägerin
führt an, der Vorarbeiter 8i. sei Staatsbeamter, ihn. treffe das Verschulden, in-
folgedessen Klägerin den in der Klage bezeichneten Schaden erlitten habe. Und
wenn 8i. nicht Staatsbeamter gewesen sei, so hätte ihm der zuständige Eisenbahn-
beamte die Abstempelung der Eisenbahnfrachtbriefduplikate nicht überlassen dürfen,
so daß es sich dann um ein Verschulden dieses Eisenbahnbeamten handle. Allein
bei den Frachtverträgen, die der Eisenbahnfiskus durch seine Angestellten abschließt,
und bei der damit zusammenhängenden Abstempelung von Frachtbriefen und
Frachtbriefduplikaten üben die Angestellten des Eisenbahnfiskus keine
andere Funktion aus als die Angestellten einer Privateisenbahn in
gleichem Falle. Diese Fuiiktionen stehen rein und ausschließlich auf dem Boden
des Privatrechts. Für Fälle dieser Art ist aber 8 39 des Preußischen Aus-
führungsgesctzes zum Gerichtsverfassungsgesetz so wenig gegeben, wie 8 70 des
letzteren selbst. Es läßt sich nicht erkennen, daß ein Grund Vorgelegen hätte,
Fälle, welche ganz gleich liegen, ob der Fiskus oder eine andere juristische Person
oder eine physische Person aus dem Versehen ihrer Angestellten in Anspruch ge-
nommen werden, einem andern Gericht zuzuweisen oder unabhängig von der Re-
visionssumme in letzter Instanz an das R.G. gelangen zu lassen, bloß, weil es
der Fiskus ist, welcher beklagt wurde, ohne daß die Funktion der fiskalischen An-
gestellten und sein Verhältniß zum Staat dabei eine besondere Bedeutung hat.
I. 5/96 vom 25. April 1896.
2. .. Verfehlt ist zunächst die Rüge, daß das Berufungsgericht den 8 437
C.P.O. dadurch verletze, daß es bei Zulassung des Mitinhabers der klagenden
Firma zum richterlichen Eide die Beweispflicht berücksichtigt. Eine solche Verletzung
würde allerdings vorliegen, wenn das O.8.G., obwohl es die unter den Eid ge-
stellten Behauptungen der Beklagten für einigermaßen wahrscheinlich gemacht er-
achtete, dennoch dem Gegner den richterlichen Eid lediglich deshalb anvertraut
hätte, weil die Beklagte der beweispflichtige Theil ist. So liegt aber der gegen-
wärtige Fall nicht, denn bei Würdigung der Zeugenaussagen ist das O.8.G. zu
dem Ergebniß gekommen, daß zwischen denselben ein unlösbarer Widerspruch be-