Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 6 (1896))

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Oralfideicommiß, WiederaufheKung desselben.

können. Demgegenüber glaubt die Beklagte Gewicht darauf legen zu können, daß
die Unterredung vor Errichtung des Testaments stattgefunden hat, sie mithin als
Erbin noch nicht eingesetzt war. Da es jedoch zur Gültigkeit eines Oralfidei-
kommisses überhaupt nicht des Vorhandenseins eines Testamentes bedarf, weder
zur Zeit der Errichtung des Vermächtnisses noch zur Zeit des Ablebens des Erb-
lassers (B.G.B. 8 2386), so kann dieser Einwand nur insoweit in Betracht ge-
zogen werden, als durch ihn der Mangel eines Hinweises auf die Erbenqualität
dessen geltend gemacht werden soll, dem daS Vermächtniß auserlegt wurde. Zur
Beseitigung eines solchen Einwandes genügt aber die Bezugnahme darauf, daß die
Beklagte im Hinblicke auf das ihr als Ehefrau zustehende Pflichttheilsrecht (B.G.B.
8 2565) auf jeden Fall Erbin werden mußte, und daß, selbst wenn S. bei der
erwähnten Unterredung die Absicht gehabt haben sollte, neben seiner Ehefrau noch
andere Personen als Erben einzusetzen, dies doch der Bestimmung in 8 2385
B.G.B.'s gegenüber bedeutungslos sein würde.
II.
Die Bellagte hatte noch eingewendet, daß das Vermächtniß, falls es über-
haupt errichtet wäre, gültig wieder aufgehoben worden sei. Hierzu wurde bemerkt:
1. Vermächtnisse können — abgesehen von denjenigen Fällen, in welchen
der Erblasser in gewisser Weise über den Gegenstand des Vermächtnisses verfügt
hat (88 2418 ff.) — nur durch eine Willenserklärung des Erblassers widerrufen
werden. Ein Widerruf liegt nun nicht darin, daß in dem Testament des bereits
früher errichteten Vermächtnisses nicht gedacht wird, ebensowenig wie ein letzter
Willen durch einen später errichteten ohne Weiteres aufgehoben wird. (B.G.B.
8 2216). Vielmehr sind für den Widerruf von Vermächtnissen besondere zwingende
Formen vorgeschrieben. Er erfolgt entweder dadurch, daß der letzte Willen, in
dem das Vermächtniß hinterlassen worden, wieder aufgehoben wird (B.G.B.
8 2412), oder unter Beobachtung einer der Formen, in welchen Vermächtnisse
angeordnet werden können, oder endlich vor Gericht, Notar oder zwei Zeugen.
Die Form in 8 2384 des B.G.B.'s, also diejenige, in welcher das für den
Kläger errichtete Vermächtniß der Beklagten auferlegt worden, kann zum Wider-
ruf nicht gebraucht werden (B.G.B. 8 2413). Hiernach würde es unerheblich
sein, wenn S. zu einzelnen Personen sogar geäußert hätte, Kläger solle aus seinem
Nachlasse nichts erhalten, oder, er widerrufe das diesem ausgesetzte Vermächtniß,
und umsoweniger kann ein rechtliches Absehen auf Erklärungen S-'s des Inhalts
gerichtet werden, er müsse sein Testament so eiurichten, daß seine Ehefrau Alles
bekäme, ferner: seine Ehefrau solle nach seinem Tode Alles bekommen, sie könne
damit machen, was sie wolle. Vielmehr können derartige Aeußerungen unter
Umständen nur dazu benutzt werden, um etwaige Dunkelheiten bezüglich der im
Testament enthaltenen Willenserklärungen aufzuhellen.
2. Das von S. errichtete Testament ist jedoch von . derartigen Dunkelheiten

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