Oralfideicommiß, Wiederaufhebung desselben.
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wollen. Hierbei kommt besonders in Betracht, daß S. die Auffassung Klägers,
er werde trotz jener Erklärung nichts erhalten, mit dem Hinweis darauf wider-
legt hat, der anwesende Steiger H. habe es ja mit angehört, der könne es später
bezeugen. Dieser Hinweis schließt-jeden Zweifel darüber aus, ob S. durch jene
Zusicherung seinem künftigen Erben die Auszahlung eines Vermächtnisses an den
Kläger auferlegen wollte. In dieser Weise hat auch die Beklagte das Versprechen
ihres Ehemannes aufgefaßl; denn auch sie hat auf jenes vom Kläger geäußerte
Bedenken Veranlassung genommen, ihm zu erklären, daß er das Versprochene be-
komme, daß sie es ihm geben werde.
2. Ob es zur Gültigkeit eines Vermächtnisses der in § 2384 des B.G.B.'s
bezeichnten Art einer ausdrücklichen Anrede an den Beschwerten bedarf,
vergl. dagegen Wengler's Archiv, Jahrg. 1887 S. 651, Windscheid,
Pandekten § 629, Note 2,
kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Denn in dieser Form ist das
Bermächtniß in der Thal auferlegt worden: hat auch S. sich zunächst nur an dm
Kläger gewendet, so ist es doch Beklagte gewesen, welche zuerst diesen wegen seiner
Bedenken beschwichtigt hat, und diese Aeußerung seiner Ehefrau hat S. zu der
seinigen gemacht, indem er nunmehr ebenfalls dem Kläger jeden Zweifel an der
Ernstlichkeit und Wirksamkeit seiner Willenserklärung benahm. Das Gespräch ist
zwischen diesen drei Personen geführt worden und der Wille S.'s, daß seine dem
Kläger gegebene Zusicherung zugleich als eine Aufforderung an die Beklagte zu
deren Erfüllung gelten sollte, ergiebt sich, wie bereits dargelegt worden, unzwei-
deutig daraus, daß er den Kläger auf die Anwesenheit H.'s, der es ihm bezeugen
könne, hingewiesen, sowie daraus, daß auch die Beklagte die dem Kläger ertheilte
Zusicherung in der erwähnten Weise aufgefaßl hat.
3. Ebensowenig kann darüber ein Zweifel obwalten, daß Kläger das ihm
Zugesicherte aus dem Nachlasse S.'s und nicht erst aus dem der Beklagten er-
halten sollte. S. hat nach der Aussage H.'s erklärt, er werde bald sterben, nach
seinem Tode solle Kläger 2000—3000 Thaler erhalten, und die Beklagte hat.
sich zum Kläger dahin geäußert, er werde das Versprochene bekommen, sie werde
eö ihm geben.
4. Endlich ist auch bei der Errichtung des Vermächtnisses der Hinweis auf
die Erbenqualität der Beklagten genügend zu Tage getreten. Die Betheiligten
sind sämmtlich davon ausgegangen, daß die Beklagte das Bermächtniß aus-
zuzahlen habe; der Kläger hat Zweifel darein gesetzt, daß er das ihm Versprochene
erhalten werde, die Beklagte hat darauf erklärt, daß sie es ihm geben werde, und
im Anschluß hieran hat S. den Kläger daraus verwiesen, daß er nöthigenfalls das
Zeugniß H.'s in Anspruch nehmen könne. Dieser Zeuge hat selbst seiner Auf-
fassung dahin Ausdruck gegeben, daß, wenn auch S. nicht ausdrücklich gesagt
haben möge, Beklagte solle das Bermächtniß auszahlen, eine andere Person doch
damit nicht gemeint gewesen sei, da lediglich diese als Erbin hätte in Frage kommen