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Ueber die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Sicherheitsleistung behufs Anwendung der Zwangsvollstreckung (C.P.O. § 652 al.2)
Erstattung der Kosten für Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zw.-Vollstr. 257
Ueber die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Sicherheitsleistung behufs
Anwendung der Zwangsvollstreckung (C.P.O. 8 652 ul. 2).
L.G. Dresden,- Beschl. vom 13. Februar 1895.. C. B. 28/95.
Dem in erster Instanz sachfälligen Beklagten, war..auf seinen Antrag im Ur-
theile nachgelassen worden, die Vollstreckung durch Hinterlegung von 350 Mk. Sicher-
heit abzuwenden. Der Beklagte hinterlegte diese Sicherheit und erhielt sie, nach-
dem er in zweiter Instanz obgesiegt hatte, zurückgezahlt, jedoch unter Abzug von
1 Mk. 10 Pf. Depositalkosten. Diese Kosten fordert er vom Kläger erstattet. Das
Amtsgericht hat ihre Erstattungsfähigkeit verneint, weil der Beklagte auf Grund
des erstinstanzlichen Urtheils an . den durchaus zahlungsfähigen Kläger habe zahlen
und den Betrag in . zweiter Instanz habe zurückfordern können.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist begründet. Der auf C.P.O. § 652
gestützte Antrag des Schuldners, ihm nachzulassen, durch Sicherheitsleistung oder
durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden, erscheint untere allen Umständen
als ein Akt zweckentsprechender Rechtsvertheidigung im Sinne von C.P.O. § 87
und es stellen sich daher die durch eine solche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
unvermeidlich entstehenden Kosten als nothwendig im Sinne von' C.P.O. 8 87,
mithin als erstattungsfähig dar.
Diese 'Rechtsvertheidigung auch dann als zweckentsprechend anzusehen, wenn
die Folgen der Vollstreckung von vornherein in ihrer Wirkung reparabel erscheinen,
wird schon durch die Erwägung geboten, daß das Gesetz in sorgfältiger Abwägung
der kollidirenden Interessen des Gläubigers und des Schuldners,
vgl. hierzu Motive zur C.P.O. S. 398. und Kommissionsprotokoll S. 340,
für alle Fälle, in denen nach §§ 648 bis 650 der C.P.O. die vorläufige Voll-
streckbarkeit auszusprechen ist, dem Schuldner in § 652 Abs. 2 ein von dem Er-
messen des Gerichtes unabhängiges Recht auf die Abwendung der Vollstreckung giebt
und die Realisirung dieses Rechtes nur für den Fall ausschließt, daß der Gläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit leistet (§ 650 am Schluß, 8 652 Absatz 2). In
diesen Bestimmungen tritt klar zu Tage, daß das Gesetz — ohne die Rücksicht-
nahme auf sonstige z. B. der Person des Gläubigers, der Art oder dem Gegen-
stände der zu vollstreckenden Leistung, dem speziellen Rechtsgrunde der vorläufigen
Vollstreckbarkeit zu entnehmende Umstände zuzulassen — das Interesse des Schuldners,
den Streitgegenstand nicht blos auf Grund einer nur vorläufig vollstreckbaren Ent-
scheidung dem Gläubiger überlassen zu müssen, für wichtiger und schutzbedürftiger
angesehen hat, als das Interesse des Gläubigers, auf Grund einer solchen Ent-
scheidung die Disposition über den Streitgegenstand ohne vorgängige Sicherung des
Schuldners zu erlangen. . •
Schon hiernach kann es nicht als der Absicht des Gesetzes entsprechend ange-
sehen werden, wenn das Amtsgericht die Zweckmäßigkeit der Sicherheitsleistung im
Hinblick , auf die Zahlungsfähigkeit des Gläubigers verneint hat. Der vom Amts-
gericht angegebene Grund ist um so weniger stichhaltig, als dem Schuldner nicht
angesonnen werden darf, sich über die Vermögensverhältnisse seines Gläubigers zu
informiren und der Schuldner selbst bei Kenntniß der günstigen Vermögensverhält-
niffe des Gläubigers nicht wissen kann, ob sie auch zur Zeit der Rückerstattung des
auf Grund des Urtheils Geleisteten noch gleich günstige sein werden.
Ueberdies werden durch die Kautionsbestellung des Schuldners, die ihm bei
der Rückforderung möglicherweise entstehenden Weiterungen und finanziellen wie per-
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