22 v. Sommerlatt, Ist der Entw. des dtsch. B.G.B.'s sn bloo anzunehmen?
das gemeine, auf römischer Grundlage beruhende Recht für ca. 14 Millionen
Einwohner,
das sächsische bürgerliche Gesetzbuch für ca. 2800000 Einwohner,
das preußische Landrecht für ca. 18 Millionen Einwohner,
das französische Recht für ca. 7—8 Millionen Einwohner.
Von den zuletzt erwähnten Gesetzgebungen beruht das sächsische Gesetzbuch
vorwiegend auf römischer Grundlage. Das preußische und französische Gesetzbuch
weichen zwar von ihm vielfach sehr wesentlich ab; es ist aber bezeichnend, daß man
gerade bei Abfassung dieser, in der Zeit der sogenannten Ausilärung erlassenen
Gesetze sich gegen das bestehende römische Recht nicht grundsätzlich ablehnend ver-
halten hat. Die berühmte, von Friedrich dem Großen am 14. April 1780 an
den Großkanzler v. Carmer erlassene, für die Kodifikation maßgebende, Kabinets-
ordre schreibt für die Abfassung des Landrechts geradezu vor:
„weil-das corpus juris von Kayser Justinian als das subsidiarische Ge-
setzbuch fast aller europäischen Staaten seit vielen Jahrhunderten her auch bei
UnS angenommen worden ist, so kann dieses auch künftig nicht ganz außer Acht
gelassen werden,"
jedoch mit der Einschränkung, es solle aus ihm das Wesentliche, mit dem Natur-
gesetz und der heutigen Verfassung Uebereinstimmende abstrahirt, das Unnütze
weggelassen werden.
Auch das französische Gesetzbuch, „in welchem als einem aus der Revolution
hervorgegangenen Werke man am ehesten einen vollständigen Bruch mit dem frühe-
ren Rechte zu finden erwarten könnte" beruht besonders im Obligationenrecht so-
wie in der Lehre von den Grunddienstbarkeiten aus römischer Grundlage (Wind-
scheid, Pand. I, Z 6 Note 2, Zachariae-Lingenthal, französ. Civilrecht,
II. Bd., Vorbemerkung zu § 214 und zu § 276 der 8. Aust.).
So lehnt sich das jetzt für mehr als 50 Millionen Deutsche geltende Privat-
recht mehr oder weniger an das römische Recht an. Dian mag die Reception des römi-
schen Rechts als ein nationales Unglück- beklagen, man mag es bedauern, daß es
Deutschland nicht beschieden gewesen ist, die reichen Schätze des älteren einheimischen
Rechts zu heben und die vaterländischen Rechtsinstitute weiter zu entwickeln —
aus der Welt schaffen läßt sich die vor Jahrhunderten vollzogene Reception des
römischen Rechts nicht mehr. Und war es denn nicht auch ein Werk, der deut-
schen Art entsprechend, daß wir daS römische, wenn gleich ftemde Recht nach und
nach so verarbeitet und bei uns ausgenommen haben, daß die meisten seiner Vor-
schriften uns gar nicht mehr als fremde erscheinen? Sind denn nicht namentlich
die meisten römisch-rechtlichen Grundbegriffe weiter nichts als die Entwicklung der
Natur der Sache, ein geschriebenes Naturrecht?
Manche römisch-rechtliche Institute sind im Laufe der Jahrhunderte in der
That so in das Rechtsbewußtsein des Volkes übergegangen, daß ihre Beseitigung
und die Rückkehr zu den entgegengesetzten Anschauungen des älteren deutschen