Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 2 (1839))

1 IG

Reyscher:

Gerichtsbarkeit als unveräußerliche Hoheitsrechte ausschließlich für
sich in Anspruch nahm. Bei diesem Standpunkte der öffentlichen
Gewalt in den einzelnen deutschen Staaten, insbesondere der gesetz-
gebenden müssen wir es als durchaus unzulässig erkennen, daß ein
Landesgesetz durch eine andere Instanz, als die gesetzgebende Gewalt
selbst, aufgehoben werde, da sonst die Souverainetät dieser Gewalt
rein illusorisch wäre. Also nur eine R e st i t u t i o n, und zwar durch
die Factoren der Gesetzgebung, d. h. die Regierung in Verbindung
mit der grundgesetzlich eingerufenen Ständeversammlung, ist das Mit-
tel, wodurch ein mittelst Gesetzes an Einzelnen verübtes materielles
Unrecht wieder aufgehoben werden kann, und wodurch auch Seine
Majestät einzig und allein Ihre materiellen Einwendungen wider das
Grundgesetz rechtlich durchzuführen hoffen können, während, wenn
dasselbe in ungültiger Form zu Stande gekommen wäre, Sie das-
selbe allerdings als nichtig und dem Begriffe nach nicht vorhanden,
wie jeder Andere, betrachten dürsten. Insofern unterscheidet sich
also allerdings das Gesetz des Staats und namentlich ein Vertrag
zwischen dem Regenten und dem Volke von einem Privat-Rechtsge-
schäste, als Niemand, der dem Staate angehört, also der Gesetzes-
form unterworfen ist, sich der Gesetzeskraft aus innern Gründen ent-
ziehen, das Gesetz als Nicht-Gesetz betrachten kann, selbst wenn das
behauptete materielle Unrecht das Wesen seines Inhalts und nicht
blos einen Nebenbestandtheil desselben ausmachte. Dieß ergibt sich
auch, abgesehen von dem Begriffe des Gesetzes, welches hier als
Quelle und Gegenstand zugleich in Betracht kommt, aus der Natur
der Staatseinrichtungen; denn wer sollte, falls irgend ein Unter-
than behaupten wollte, er sei durch ein Gesetz verletzt, hierüber ent-
scheiden? Der Richter innerhalb des Staats ist nicht competent,
denn dieser steht, wie jedes andere Organ der vollziehenden Gewalt
unter, nicht über dem Gesetze, das er in Anwendung zu bringen
hat; er hat also, bevor er sich mit dieser Anwendung beschäftigt,
blos zu prüfen, ob die Gesetzesform erfüllt, d. h. ob ein Gesetz vor-
handen sei, nicht aber, ob das Gesetz selbst aus Rücksichten der
Zweckmäßigkeit, der Billigkeit, der Gerechtigkeit seinem Inhalte nach
ihm gut dünke; denn dadurch würde er in das Geschäft des Gesetz-
gebers eingreifen, und, sofern jeder Richter im Staate hinsichtlich je-
ner Fragen wieder eine andere Meinung haben kann, den Zweck der
Gesetzgebung, die Rechtsanwendung zu erleichtern und die Einheit

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