Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 4 (1894))

23.1.14. Kann auf Grund der Bestimmungen über Beschädigungen durch Thiere Schmerzensgeld gefordert werden?

626 Zu 8 1561 des V.G.B.'s. Kein Schmerzensgeld.
Seelenlebens wirkten in höchstem Grade erschreckend auf die Pferde des Kutschge-
schirres ein. Der ihnen eigenthümliche Instinkt hat sie dabei richtig erkennen las-
sen, daß die ungewöhnlichen Laute von wilden Thieren, die ihnen von Natur feind-
lich gesinnt sind, ausgingen, und hierdurch sind sie in eine so hochgradige Aufre-
gung versetzt worden, daß sie der Leitung des Geschirrführers nicht mehr gehorchten,
sondern blindlings fortrasten. Ist aber nach diesen Darlegungen anzunehmen, daß
die Pferde des Kutschgeschirres von den in der Schaubude befindlichen wilden
Thieren gereizt wurden und infolgedessen durchgingen, so sind die Beklagten von
jeder Ersatzpflicht rücksichtlich des von ihren Hausthieren angerichteten Schadens frei.
Kann aus Grund der Bestimmungen über Beschädigungen durch Thiere
Schmerzensgeld gefordert werden?
L.G. Freiberg. Urtheil vom 24. November 1893. Dg. 83/93.
Die Klägerin 'war durch einen zweispännigen Lastwagen des Beklagten über-
fahren worden, als die Pferde durchgingen. Sie forderte auf Grund von §§ 1483,
1489, 1560 auch Schmerzensgeld. Eine. Verschuldung des Beklagten war nicht
nachgewiesen worden. Die Klage wurde insoweit abgewiesen, vom Berufungs-
gericht mit folgender Begründung.
Dem Vorderrichter ist auch darin beizutreten, daß auf Grund der Vorschriften
wegen der Beschädigung durch Thiere (§§ 1560 flg. des B.G.B.'s) ohne das Hinzu-
treten einer Verschuldung des Beklagten der Klaganspruch sich nicht aufrecht er-
halten läßt. Zwar würden diese Bestimmungen an sich auf den vorliegenden Fall
Anwendung finden können. Denn nach der insoweit übereinstimmenden Sachdar-
stellung der Parteien ist der Unfall unmittelbar durch die Pferde des Beklagten
(oder den durch sie gezogenen Wagen) verursacht worden, als sie sich der Leitung
des Geschirrführers entzogen hatten und vermöge eigener Willensbestimmung vor-
wärts stürmten.
Annalen des O.L.G.'s, Bd. 6 S. 355 flg., Bd. 14 S. 186 flg.
Es hat nicht an Vertheidigern der Meinung gefehlt, daß der Eigentümer
von Thieren, welche Schaden angerichtet haben, schlechthin und ohne daß eine be-
sondere Verschuldung desselben nachgewiesen ist, dem Verletzten Schmerzensgeld
gewähren müsse.
So
Curtius, Handbuch des Sächs. Civilrechts § 1162,
und in neuerer Zeit
Sieben haar in den Annalen des O.A.G.'s N. F. Bd. 5 S. 322 und 314.
Allein diese Ansicht, der übrigens die Genannten eine nähere Begründung
nicht beigegeben haben, kann nicht für zutreffend erachtet werden. Der Anspruch
auf Schmerzensgeld ist eine deutschrechtliche, auf die Bestimmung in Art. 20 der
C.C.C. zurückzuführende und insbesondere durch Carpzow ausgebildete Folge einer
schuldhaften Körperverletzung. Es bestand wohl darüber Meinungsverschiedenheit,
ob Schmerzensgeld nur bei vorsätzlicher oder aber auch bei fahrlässiger That ge-
fordert werden dürfe. Aber von jeher ist die überwiegende Meinung der Rechts-
wissenschaft und der Rechtsprechung dahin gegangen, daß es nur bei schuldhafter
Körperverletzung gefordert werden könne.
Entscheidungen des Reichsger. in Civils. Bd. 8 S. 117 flg. Stobbe,

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