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Opitz, Ueber das Anerbeiirecht.
Tilgung der auf dem Grundbesitze haftenden Schulden herbeizuführen. Freilich
erkennen auch die Vertreter dieser Ansicht an, daß man die Einrichtung der
Rentenschuld ohne Härte gegen die Miterben des Anerben nur dann treffen kann,
wenn man den Miterben durch gleichzeitige Errichtung von Rentenbanken, die
außerdem das Tilgungsgeschäft vermitteln sollen, die Möglichkeit gewährt, die
Renten zu versilbern. Knüpft man indessen die Einführung der Rentenschuld für
die Schulden des Anerben an diese letztere Bedingung, so wird die ganze Ein-
führung dieser Schuldform für das Anerbenrecht doch nur einseitig wirken. Denn
da sich nicht denken läßt, daß die Rentenbanken Renten in anderen Fällen als
denjenigen übernehmen werden, wo der Grundstückswerth mindestens annähernd
mündelmäßige Sicherheit gewährt, so würde die Form der Rentenschuld nur für
die Schulden Platz greifen können, welche das Anerbengut nicht über den mündel-
mäßigen Werth belasten. Für diese Fälle indessen hat die Einrichtung der Renten-
bank nur geringen Werth, da bei ihnen auch auf anderem Wege die Versilberung
der Rente nicht schwer fallen wird. In den übrigen Fällen aber würde nach der
obigen Auffassung eine Rentenschuld nicht zulässig, die betreffende Schuld sonach
alsbald zu zahlen sein.
Soll mit der Einrichtung der Rentenschuld dem Anerbenrecht gedient sein,
so wird man sonach weiter gehen und dieselbe auch da zulassen müssen, wo das
Anerbengut mündelmäßige Sicherheit nicht mehr bietet. Bei einem solchen Vor-
gehen würde man zwar die Rechte der Miterben noch weiter beschränken, aber
doch nur in geringfügigem Grade, demgegenüber aber auch voraussetzlich in zahl-
reichen Fällen die Durchführung des mit dem Anerbenrechte verfolgten Zweckes
erreichen. Jedenfalls aber wird man nicht soweit gehen dürfen, die Rentenschuld
beim Anerbenrechte für schlechthin unkündbar zu erklären, sondern unter allen
Umständen eine Kündigung für den Fall der Säumigkeit des Schuldners in Ab-
führung der fälligen Renten zulassen müssen. Geschähe dies nicht, so würde man
die Interessen der Miterben in nicht zu rechtfertigender Weise verkürzen.
Läßt sich nun aus den dargelegten Gesichtspunkten die Anwendung der
Rentenschuld für das Anerbenrecht sehr wohl rechtfertigen und empfehlen, so kann
man andrerseits doch nicht behaupten, daß die Rentenschuld einen so wesentlichen
Theil des Anerbenrechts ausmacht, daß im Falle der Einführung des Letzteren
von Reichswegen auch die Rentenschuld als die Form, in der die Schulden des
Anerben an die Miterben zu übernehmen sind, im Bürgerlichen Gesetzbuch vor-
zuschrciben wäre. Richtiger und der Sache entsprechender wird es vielmehr sein,
den Landesgesetzgebungen die Anwendung der Form der Rentenschuld für die frag-
lichen Schuldverbindlichkeiten nachzulassen.
Endlich lassen es gewisse Sachsen eigenthümliche Verhältnisse angezeigt er-
scheinen, auf Vorbehalte bei der reichsgesetzlichen Regelung des Anerbenrechts hin-
zuwirken, die diesen Eigenthümlichkeiten Rechnung tragen.
Infolge der großen Verbreitung der Industrie und der damit zusammen-