Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 4 (1894))

Opitz, Weber das Anerbenrecht.

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hingegen läßt es die Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Ländern
durchaus angezeigt erscheinen, dieselben nicht von Reichswegen und für das ge-
samte Gebiet des Reichs gleichmäßig zu regeln. Da es sich indessen bei dem
gegenwärtigen Gutachten nur um eine Erörterung der Frage handelt, inwieweit
das Anerbenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden soll, ist aus die
weitere Frage, in welcher Weise die vorliegenden Rechtsverhältnisse im Einzelnen
durch die spätere Landesgesetzgebung zu ordnen sind, nicht näher einzugehen. Nur
die eine Bemerkung in diesem Punkte mag Platz finden, daß von einer umsichtigen
und sachgemäßen Einrichtung dieser Bestimmungen der Erfolg der Einrichtung des
Anerbenrechts zum guten Theil abhängen wird.
Aehnlich wie bei den Grundsätzen über die Ermittelung des Gutswerthes
liegen die Verhältnisse auch bei der Regelung des sogenannten „Voraus" des
Anerben (eine Bezeichnung nebenbei, deren Aufnahme in das Bürgerliche Gesetz-
buch man auS sprachlichen Gründen nicht wünschen kann). Während im Vor-
stehenden im Gegensätze zu der Ansicht des Preußischen Ministers der Land-
wirthschaft bei den Grundsätzen über die Ermittelung des Gutswerthes die
Ertheilung von Einzelbestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch Widerrathen
werden mußte, möchte man hier in der Beschränkung der Reichsgesetzgebung
wiederum nicht soweit gehen, wie das Preußische Landwirthschaftsministerium es
thut, das überhaupt die Bevorzugung des Anerben außer durch eine niedrigere
Schätzung des Gutswerthes von der Reichsgesetzgebung nicht eingeführt wissen
will, wohl aber für angezeigt hält, daß die Einführung einer solchen Bevorzugung
der Landesgesetzgebung Vorbehalten wird. Wie schon oben bemerkt, bildet die Ein-
führung einer besonderen Begünstigung des Anerben außer der Bewerthung des
Anerbengutes nach dem Ertragswerthe eine wesentliche Voraussetzung für ein wirk-
sames Anerbenrecht. Ohne dieselbe würde in allen den nicht seltenen Fällen, wo
der Ertragswerth des Anerbengutes mit dessen Verkehrswerth zusammenfällt, über-
haupt das Anerbenrccht seinen Sondercharakter und unter Umständen auch seine
ganze Bedeutung verlieren. Seine Regelung von Reichswegen erscheint daher
unerläßlich, und da die Feststellung des in Rede stehenden Vorzugsrechts nur in
der Bestimmung eines Verhältnißtheils (Quote) besteht, sonach sich auch einfach
gestaltet, so ist nicht abzusehen, was hierbei der Regelung im Bürgerlichen Gesetz-
buch entgegenstehen könnte.
Gegenwärtig wird auch die Frage lebhaft erörtert, ob es nicht angezeigt sei,
dem Anerben außer der Bevorzugung, welche in der Schätzung des betreffenden
Grundstücks nach dem Ertragswerth bereits in dem vorerwähnten Mehrantheile
liegt, noch insofern eine Vergünstigung. zu gewähren, als die von ihm an die
Miterben herauszuzahlenden Antheile in Form von Rentenschulden, also un-
kündbar, übernommen werden können. Dieser Grundsatz wird namentlich auch
von denjenigen Vertretern der Wissenschaft warm befürwortet, welche in der Form
der Rentenschuld zugleich ein Mittel erblicken, um durch dieselbe eine allmähliche

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