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Opitz, tiefer das Anerbenrecht.
Wirkung eines dinglichen, kraft Gesetzes eintretenden Rechtserwerbes aus-
zustatten sei, soweit sich dieselbe nicht zum Theil dadurch erledigen sollte, daß das
Rechtsverhältniß der Miterben im Bürgerlichen Gesetzbuch im Sinne der Erben-
gemeinschaft des preußischen Rechtes geordnet wird, dürfte sich bei der Gleichheit
der einschlagenden Gesichtspunkte nach der Regelung der Wirkung der Vermächt-
nisse zu richten haben. Wird bei diesen der Grundsatz eingcführt, daß dieselben
nur einen persönlichen Anspruch gewähren, dann wird man nicht umhin können,
diesen Grundsatz auch auf das Rechtsverhältniß des Anerben zu den Miterben
in Anwendung zu bringen. Dasselbe Verfahren würde umgekehrt zu beobachten
sein, wenn man das Vermächtniß mit dinglicher Wirkung ausstattete (Vindikations-
legat).Aus den Gründen, welche die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. 5
S. 133 flg. für die erftere Behandlung des Vermächtnisses geltend machen, wird
man wohl thun, der vorliegenden Frage diese Lösung zu geben, hierncben «ber-
auch das Recht des Anerben gegeilüber den Miterben nach Maßgabe des § 84
unter 4 des Entwurfs eines Einführungsgesetzes durch die Einführung eines
Veräußerungsverbotes zu sichern.
Als wichtige, das Wesen des Anerbenrechtes mitausmachende Grundsätze
stellen sich auch diejenigen über die Ermittelung des Werthes des dem An-
erbenrechte unterliegenden Besitzthums, sowie der Bevorzugung des Anerben bei
der Vertheilung des Nachlasses dar. Aus diesem Grunde würde, wenn die
Regelung des Anerbenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgt, nicht davon ab-
gesehen werden dürfen, diese Grundsätze in Letzterem mit festzustellen. Andernfalls
würde es in die Hände der Einzelstaaten gelegt sein, durch eine der Sache nicht
entsprechende Regelung der in Rede stehenden Grundsätze das Anerbenrecht zu
einer lediglich auf den Gesetzblättern ihr Dasein fristenden Einrichtung zu ver-
urtheilen. In beiden Fragen allerdings wird es rathsam sein, die gedachten
Grundsätze im Bürgerlichen Gesetzbuch nur insoweit durch Einzelbestimmungen
zum Ausdruck zu bringen, als es eben diese Rücksicht bedingt.
Bezüglich der Ermittelung des Gutswerthes gilt, soviel dem Verfasser be-
kannt, wohl bei allen bestehenden Anerbenrechtsgesetzgebungen der Grundsatz, daß
bei dieser Ermittelung nicht der Verkehrswerth, sondern der Ertragswerth zu
Grunde zu legen ist. Dagegen gehen die einzelnen Gesetzgebungen über die
Gesichtspunkte, die bei Feststellung des Ertragswerthes in Anwendung zu bringen
sind, ziemlich weit auseinander, indem einige in jedem einzelnen Falle eine be-
sondere Schätzung eintreten lassen, andere den Grundsteuerertrag, den Gcbäude-
steuernutzungswerth u. s. w. zum Anhalt nehmen. Für die Reichsgesetzgebung wird
es genügen, wenn dieselbe durch die Aufstellung des Grundsatzes, daß bei der Er-
mittelung der Gutswerthe der Ertragswerth zu Grunde zu legen sei, die Ein-
richtung des Anerbenrechts in diesem Punkte gegen die Gefahr schützt, daß durch
ungeeignete Bestimmungen der Einzelstaaten der Einführung und Verbreitung des
Anerbenrechts Hindernisse entgegengesetzt werden. Bei den Einzelbestimmungen