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Opitz, lieber das Anerbenrecht.
in Sachsen wenigstens in Bezug auf die Beschränkung der Theilbarkeit, gemach-
ten Erfahrungen nicht. Weder von der in hervorragendem Maße ausgebildeten
und verbreiteten heimischen Industrie noch auch von Seiten der Landwirtschaft
empfindet man das Bestehen der gesetzlichen Beschränkung der Theilbarkeit der
geschlossenen Güter als lästige oder sonst nachteilige Fessel. Im Gegentheil herrscht
hier überall die Ueberzeugung, daß die in Rede stehende gesetzgeberische Maßnahme
der Industrie nirgends ein Hemmniß geworden, wohl aber wesentlich dazu beige-
tragen hat, eine sich überstürzende Entwickelung der Industrie zu verhüten, wie
sie auch in dem geschlossenen Grundbesitze ein gerade für sächsische Verhältnisse
nicht genug zu schätzendes Gegengewicht gegen das Ueberhandnehmen der erfah-
rungsgemäß den Einflüssen staatsfeindlicher Gesinnung ebenfalls zugänglichen un-
bemittelten Grundbesitzer geschaffen hat. Daher erklärt sich auch, daß die Klagen
gegen das Bestehen der Theilbarkeitsgesetzgebung, die vor der Zeit des raschen
Emporwachsens der Industrie in Sachsen noch ziemlich häufig gehört worden, in
den Kammern und in der Presse schon seit Jahrzehnten fast völlig verstummt
sind. Was aber bei der Theilbarkeitsbeschränkung in diesem Falle gilt, das wird
sich voraussetzlich auch für die Einführung des auf gleiche Ziele hinstrebenden An-
erbenrechts bewähren.
Wie hiernach auch für Sachsen die Einführung des Anerbenrechtes nur zu
begrüßen ist, so hat anderseits der landwirtschaftliche Grundbesitz Sachsens kein
Interesse daran, das Anerbenrecht sogleich mit der Wirkung eines gesetzlichen Erb-
rechts eingeführt zu wissen. Derselbe muß es vielmehr aus den angegebenen
Gründen für wünschenswerther erachten, daß das Anerbenrecht wenigstens zunächst
als eine besondere Verfügung des Erblassers voraussetzende Form des Erbrechts
eingeführt wird. Daß aber ferner die für die Einrichtung des Anerbenrechts
grundlegende Bestimmung über diesen Punkt nicht der einzelstaatlichen Gesetz-
gebung überwiesen werden darf, sondern im Bürgerlichen Gesetzbuch zu erfolgen
hat, dürfte so sehr in der Sache liegen, daß es einer besonderen Begründung
nicht bedarf.
Endlich mag noch erwähnt sein, daß die gegenwärtig behandelte Frage, in-
wieweit die industrielle Entwickelung Sachsens im Allgemeinen für die Einführung
des Anerbenrechts in Betracht kommt, verschieden ist von der Frage: inwieweit
industriellen Zwecken dienende Grundstücke, wenn sie im Zusamuienhange mit land-
wirthschaftlich benutzten Grundstücken stehen, dem Anerbenrechte mit zu unterwerfen
sind. Bei solchen Grundstücken wird zu unterscheiden sein, ob das auf denselben
betriebene Gewerbe mit dem Landwirthschaftsbetriebe auf den übrigen Grundstücken
in Beziehung steht, dergestalt, daß der Gewerbebetrieb mehr oder weniger vom
landwirtschaftlichen Betriebe und umgekehrt abhängt, mit anderen Worten, es
wird zu unterscheiden sein, ob der Gewerbebetrieb ein landwirthschaftlicher Neben-
betrieb ist oder nicht. Wenn letzteres der Fall ist, wie bei Kalkwerken, Stein-
uud Sandbrüchen, größeren Brauereien und dergleichen würde cs weder durch die