Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 4 (1894))

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Anfechtung eines Vertrags wegen Betrugs.

Umstandes, daß der Klägerin Versicherungsgeschäste in Sachsen abzuschließen ver-
boten sei, sich zu dem Vertrage vom 21. Januar. 1889 schon um deswillen nicht
herbeigelassen haben, weil er den bestehenden Anordnungen der Regierung seines
Landes nicht habe zuwiderhandeln wollen. Das ist ein Wille, der bis zum Be-
weise des Gegentheils bei jedem Staatsbürger vorausgesetzt werden darf. Diese
Erwägung würde selbst dann durchschlagend sein, wenn man nicht ohne Weiteres,
davon ausgehen wollte, es sei dem Beklagten zur fraglichen Zeit bekannt gewesen,
daß der Abschluß von Versicherungsverträgen in Sachsen den Anstalten, die vom
Ministerium des Innern nicht zum Geschäftsbetriebe zugelassen seien, bei Strafe
untersagt sei. Denn da Klägerin dies, wie oben gezeigt worden ist, ihrerseits
wußte, so wäre es ihre Pflicht gewesen, dies denen, mit denen sie in Unterhandlung
trat, offen mitzutheilen, nicht aber durfte sie deren etwaige Gesetzesunkenntniß zur
Herbeiführung von Verträgen ausnutzen, die den bestehenden Vorschriften zu-
widerlaufen.
Einflußlos erscheint es auch für die Beurtheilung des Streitverhältnisses,
daß die Versicherung der Feldfrüchte des Beklagten erst für die Jahre 1891 bis
1895 eintreten. sollte und die Klägerin die Zulassung für Sachsen bereits im
März 1890 erlangt hat. Denn nach der Verordnung vom 16. September 1856
Z 8 durfte die Klägerin vor Erlaß der ihre Zulassung für Sachsen aussprechen-
den Ministerialbekanntmachung innerhalb dieses Königreichs Versicherungsgeschäfte
weder abschließen noch auch nur- einleiten, es war daher der Vertrag vom
29. Januar 1889, ohne Unterschied, für welche Zeit er gelten sollte, verbots-
widrig und strafbar. Unerheblich ist es ebenso auch, ob die Klägerin zur frag-
lichen Zeit alle Schritte gethan hatte, um die Zulassung für Sachsen zu erlangen.
Maßgebend ist, daß sie diese Zulassung zur Zeit des Vertragsabschlusses
nicht besaß und ihr dies und daß sie vor Erlaß der die Zulassung aussprechen-
den Ministerialverordnung keinerlei Geschäfte in Sachsen abschließen oder einleiten
dürfe, bekannt war und sie dies dem Beklagten verschwiegen hat.
Die nach dem Vorstehenden begründete Annahme, daß der Beklagte, wenn
ihm die Klägerin, wie ihre Pflicht gewesen wäre, den Sachverhalt offen mitgetheilt
hätte, den Vertrag vom 29. Januar 1889 nicht abgeschlossen haben würde, läßt
den letzteren als anfechtbar bez. rechtsunwirksam erscheinen, mag man dabei Säch-
sisches oder Preußisches Landrecht als anwendbar ansehen. B.G.B. §8 833, 835,
Preuß. Allg. Landrecht Theil I Tit. 4 88 84 flg., dazu Dernburg, Preuß.
Privatrecht, IV. Aufl. Bd. 1 S. 251 flg, -
Insbesondere steht der Anfechtung des Vertrags der Umstand nicht entgegen,
daß die Täuschung, deren sich der Vertreter der Klägerin schuldig gemacht hat,
nicht ohne Weiteres geeignet gewesen ist, dem Beklagten einen vermögensrecht-
lichen Schaden zuzuziehen. Rach Sächsischem Rechte (88 833 flg.) bildet den
Rechtsgrund für das Anfechtungsrecht des Betrogenen das wider ihn verübte Un-
recht, nicht dessen etwaige schädliche Wirkung, das Anfechtungsrecht ist daher von
dem Nachweise eines durch den Betrug hervorgerufenen Vermögensschadens nicht
abhängig.
Vergl. Wengler's Archiv, Neue Folge Bd. 7 (1886) S. 249.
Denselben Standpunkt hat das Preußische, Landrecht angenommen, es will
im Falle eines Betrugs, zu welchem auch vorsätzliche Benutzung eines Jrrthums
gehört, „eine Gegenwirkung gegen die Unsittlichkeit üben."
Vergl. Förster-Eccius, Preuß. Privatrecht VI. Aufl. Bd. 1 8 81
S. 161 flg.

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