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Souchay:
Da soll denn die staatliche Polizei helfen. Dieser Furcht wider-
spricht seit Menschen altern die Erfahrung, wie die Motive
selbst sagen (auch Mittermaier in seiner angef. Rede) und die
neuesten Erfahrungen in Deutschland, z. B. in Frankfurt. Daß
einige Taugenichtse, die keine Trauung zu einer sittlich-christlichen
Ehe jemals bringen wird, da sie dieselben auch seither nicht dazu
gebracht hat, eine Ausnahme machen können, darf zugegeben werden.
Die Sitte der Trauung bleibt aber um so viel fester und wirkt um
so viel sittlicher, weil sie eine freie ist. Ein Glaubenszwang wird
durch die Civilehe nirgends geübt, da sie ganz außerhalb des Glau-
bens auf Staatsgesetzen beruht. Für den Schutz gegen Mißbrauch
kirchlicher Gewalt, namentlich durch Hinausschieben oder Verweige-
rung der Trauung, — was die einzige Veranlassung der Civilehe ist
— wird von der sächsischen Regierung auf die politischen Gesetze,
das heißt: ad calendas Graecas verwiesen. Es hat der sächsischen
Negierung nicht gefallen, das Arkanum zu offenbaren, was sie in
dieser Beziehung etwa besitzt. Will sie die Priester etwa zur Trauung
zwingen? Verspricht die katholische Kirche etwa, daß sie die be-
kannten Reverse über die religiöse Erziehung der Kinder nicht mehr
fordern werde? — Die sächsische Negierung wird in dieser Sache
stecken bleiben, wenn sie das Mittel der Civilehe nicht ergreift oder
wenn sie es wegwirft.
§.9. Der Papst über die Civil-Ehe.
Es scheint, daß die Civilehe die damit verbundene Absicht besser
erreicht, als es der katholischen Geistlichkeit nach ihren neuesten
Erfahrungen lieb ist und daher von Rom aus ein Sturm gegen sie
organisirt werden soll. Am 19. September 1852 hat hierüber der
Papst an den König von Sardinien geschrieben: „Es ist ein Glau-
benssatz, daß die Ehe durch unsern Herrn Jesus Christus zu einem
Sakrament erhoben worden ist, und es gehört zu den Lehren der
römisch-katholischen Kirche, daß ein Sakrament keine zufällige,
einem Vertrage nur bei ge fügte Charakterisirung derselben sein
darf, sondern daß auf diesem Sakrament das wahre Wesen der Ehe
beruht, so daß eine Ehe unter Christen gar nicht besteht, außer
durch dieses Sakrament, und abgesehen davon nichts anderes ist, als
ein Concubinat. Ein bürgerliches Gesetz, welches für Katholiken
das Sakrament der Ehe von dem Civilvertrage trennt, maßt sich