Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 9 (1845))

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B itzer:

buch unmöglich wäre, wenn nicht die gesonderten deutschen Staaten zu
bestehen aushören würden, da ohne diese gesetzliche Einheit die
Rechtseinheit durch die Fortbildung in den einzelnen Staaten so-
gleich wieder in cbensoviele Besonderungen auseinander gehen
würde. Die Forderung einer Rechtseinheit in Deutschland kann
somit eine Bedeutung und Berechtigung nur haben, wenn sie nicht
an die Gesetzgebung, sondern an die Wissenschaft, darum nicht auf
die Gründung eines erst künftigen Einen deutschen Rechts, sondern
darauf gerichtet ist, die bestehende Einheit im deutschen Rechte zum
Bewußtsein zu bringen und dieses Bewußtsein zu erhalten in der
Gründung einer Wissenschaft des deutschen Rechts als
der Darstellung des gemeinsamen deutschen Rechtsbewußtseins, in
der Totalität seiner Ausbreitung sowohl durch die einzelnen Rechts-
Disciplinen, als durch das Recht der einzelnen Staaten.
Wenn wir die Geschichte unserer deutschen Literatur mit der
unseres Rechts vergleichen, so sehen wir dort, wie hier nicht eine
ungebrochene Fortentwicklung des nationalen Dewußtseyns, sondern
es ist diese Entwicklung der Literatur vielfach bestimmt durch Auf-
nahme fremder Elemente, durch Einwirkungen der classischen
Studien, der französischen, der englischen Dichtung, wie die des
Rechts durch römisches, kanonisches, französisches Recht. Gleich-
wohl scheiden wir in der Ltteraturgeschichte nicht diejenigen Theile,
welche durch fremde Einflüsse bestimmt sind, als elassische, fran
zösische, englische Literatur in Deutschland aus, sondern wir er-
kennen in Allein Eine deutsche Literatur , deren Eigenthümliches
wir nicht in dem allein sehen, was von jenen Einflüssen unberührt
ist, sondern ebenso in der Aufnahme, beziehungsweise Umbildung
fremder Elemente, ja wir sind gewohnt, tu dieser Universalität der
deutschen Literatur gerade einen Vorzug derselben zu erblicken.
Im Rechte dagegen ist uns eine ganz andere Auffassung geläufig.
Hier unterscheiden wir römisches, kanonisches, französisches Recht
und nennen deutsches Recht nur dasjenige, was auf besonderer
deutscherRechtsanschauung beruht, wir betrachten die aufgenommenen
Rechte als unserem Rechtssyfteme fremde Stücke und wir sehen
deren Aufnahme als einen bloßen Schaden unserer eigenen Rechts-
Entwicklung an. Ebenso fassen wir in der Literatur die Unter-
schiede der provinciellen Dichtuug nicht als von dem allgemeinen
Gange der deutschen Literatur ausgeschlossene Glieder, sondern

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