Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 9 (1845))

Die Einheit des deutschen Rechts. 371
in Rücksicht auf den Inhalt und die Fortbildung der einzelnen In-
stitute läßt sich darum nicht ziehen, schon weil das römische Recht
in einzelnen Ländern und selbst in demselben Lande bei einzelnen
Instituten früher oder später eingewirkt hat
Es sei mir noch erlaubt, auf die Nachtheile der bisherigen ge-
trennten Behandlung aufmerksam zu machen. Folge der bisherigen
Entzweiung unseres Privatrechts ist nicht blos der Mangel an Ueber-
sichtlichkeit des gesummten Stoffs, sondern auch äusserste Lückenhaf-
tigkeit. Man nehme nur einmal die Lehrbücher des römischen und
deutschen Rechts zur Hand und suche sic zu einander zu passen: es
wird sich bald zeigen, daß dieß unmöglich ist, und nun soll der Le-
ser und Zuhörer sich die Verbindung selbst schaffen'. Betrachten
wir insbesondere das sog. Pandektenrecht: wie wenig sind dessen
Darstellungen im Stande, den Anspruch eines praktischen Systems
zu befriedigen? Und doch machen sie diesen unbekümmert um die
Veränderungen, welche seit mehr als tausend Jahren eingetreten
sind, und unter allen Umständen eintreten müssen. Daher sind hi-
storische und eregetische Untersuchungen, welche das fremde Recht
als unmittelbar verbindlich voraussetzen, die Hauptsache. Dabei fehlt
es aber noch allzusehr an geschichtlichen Hülfsmitteln, namentlich an
einer näheren Kenntniß des römischen Gewohnheitsrechts, so daß
nicht selten die Zwischenglieder vermißt werden, welche nöthig wä-
ren, um auch nur eine römische Einheit herzustellen. — Noch schlim-
mer steht es um unsere deutsch recht lichen Systeme, wovon kei-
nes dem andern gleicht, und jedes seine auffallenden Blößen mit ir-
gend einem gelehrten Aufputze zu bedecken sucht.
Man braucht, um die nachtheiligen Wirkungen dieser zerftückten
Behandlungsweise unsers Privatrechts kennen zu lernen, nur kurze
Zeit im Amte oder in der Advokatur thätig gewesen zu sein. Wie
ganz gewöhnlich ist man nicht verlassen von den Schriftstellern,
welche auf der Hochschule empfohlen sind! Wie fehlt es nicht meist

68) Ueber den Zeitpunkt der Aufnahme sind ja überhaupt die Ansichten
verschieden. Beyer, welcher zuerst jenen Unterschied machte, rech-
nete das 15. Jahrhundert schon zu dem neuen Rechte, Wolfs
nimmt schlechthin das Jahr 1495 als die Grenze an, während in
den meisten Ländern z. B. in Württemberg erst im Laufe des 16.
Jahrhunderts das römische Recht hereinkam.

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