Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 1 (1891))

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»ach dem Entw. des B.G.B.'s für das Dtsch. Reich.
sprechen haben, da wird oft selbst der Gebildete und Welterfahrene im Dunkeln
gehen.")
3.
Ein weiterer Einwand, welcher gegen den § 704 zu erheben ist, besteht da-
rin, daß die dortigen Bestimmungen — obwohl sie den Zweck verfolgen, ein
Hauptprincip aufzustellen, welches alle Singularitäten entbehrlich mache (Motive
Bd. II p. 726) — doch die leitenden Gedanken, die diesem Princip zu Grunde
liegen und dem Richter bei der „Umsicht und Behutsamkeit erfordernden" Hand-
habung desselben (vergl. Motive I. e. p. 727) zur Richtschnur dienen könnten,
sich nicht deutlich erkennen lassen und insoweit sie mit Hülse der Motive aufzufinden
sind, nicht die Empfehlung der inneren Nothwendigkeit und der strengen Folge-
richtigkeit für sich haben.
Es wird sich diese Ausstellung — welche sich allerdings nicht sowohl gegen
den zweiten als gegen den ersten Abs. jenes Paragraphen richtet — am Kürzesten
begründen lassen durch Vorführung einiger Beispiele mit der daran geknüpften
Frage, wie Wohl die Entscheidung dieser Rechtsfälle nach § 704 auszufallen haben
würde.
Wenn mir (es sei dem Einsender gestattet, sich hier als Selbstbetheiligten
hinzustellen, um nicht die schon etwas verbrauchten Figuranten Titius und Mae-
vius und Sempronius vorführen zu müssen) ein Kunsthändler einen werthvotlen
alten Kupferstich zeigt mit dem Bemerken, daß er denselben an einen Geschäfts-
frellnd in Berlin um 200 Mk. verkauft, Dieser ihn zwar noch nicht übergeben
erhalten, jedoch bereits mit . einem Profit von 100 Mk. weiterveräußert habe;
wenn ich sodann den Kupferstich in die Hand nehme, um ihn beim Scheine eines
Lichtes zu betrachten, aber dabei so unvorsichtig verfahre, daß der Kupferstich Feuer
fängt und zum Theil verbrennt: so bin ich- zwar (nach Abs. 2 von § 704 in
Verbindung mit § 218 des Entw.) gehalten, dem jetzigen Eigentümer, jenem
Kunsthändler, die 200 Mk. zu ersetzen, welche der Letztere von seinem Abkäufer
für den Kupferstich bewilligt erhielt, nunmehr aber (nach § 463 Abs. 1) nicht be-
zahlt erhalten wird, weil er den Stich nicht mehr unbeschädigt liefern kann; nach
den Motiven zu § 704 aber liegt mir nicht die Verpflichtung ob, auch dem ersten
Käufer die 100 Mk. zu vergüten, welche dieser bei Lieferung des Kupferstichs an
seinen Abnehmer verdient haben würde. Denn, wie die Motive in der schon oben
hervorgehobenen Stelle (Bd. II p. 727) bemerken, hat ein Eingriff in das blos
obligatorische Recht eines Andern (hier in das Recht des ersten Käufers den
Kllpferstich um 200 Mk. und für denselben 300 Mk. von seinem Abnehmer zu
erhalten) für den Eingreifenden noch nicht an sich die Folge der Schadensersatz-
pflicht, wenn nicht die Handlung des Letzteren schon aus einem andern Grunde
'0 Durch 8 707 des Entw. würde diesem Mißverhältniß nicht abgeholfen werden, da
die Unkenntniß der betreffenden Normen, wie auch die Motive bemerken, Bd. II p. 731,
' selten von den Gerichten als „entschuldbarer Jrrthum" angesehen werden dürfte.

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