Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 1 (1839))

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E. Th. Gaupp:
Denn mit diesem Augenblicke hat doch offenbar ihre Gewere auf-
gehört eine rechtmäßige zu seyn. Noch mehr: warum fteht dem,
Eigenthümer selbst gegen den Dieb oder Räuber, der die Sache
dem Commodatar, Depositar u. s. w. gestohlen oder geraubt hat,
kein Anfang zu? Unmöglich läßt sich dies aus einem Siege des
factischen Besitzes über das bloße Recht erklären. Denn das hieße
jedes dingliche Recht, welches nicht mit dem factischen Besitze
verbunden wäre, gradezu negiren.
Mir scheint es, daß man den Grund der Regel: Hand
muß Hand wahren, durchaus nicht ausschließlich in der Sphäre
des Sachenrechts suchen dürfe. Jede Erklärung, welche von die-
ser Voraussetzung ausgeht, kann schon deshalb nicht zu einem
genügenden Resultate führen. Nicht eilt Conflict innerhalb des
Sachenrechts, sondern ein Conflict zwischen dem Sachenrechte und
dem persönlichen Rechte soll durch jene Regel entschieden werden,
und dieselbe läßt sich sehr passend als der Culminationspunkt des
persönlichen Charakters, der Subjectivität des altdeutschen Rechts
bezeichnen: ein Gegenstand, der überhaupt mehr Beachtung zu
verdienen scheint, als ihm bisher zu Lheil geworden ist. Solche
Ideen aber, welche ihren Grund in der hohen Bedeutung des
factischen Besitzes haben, wirken dabei nur mittelbar ein.
Bewegliche Sachen haben keinen bleibenden Aufenthalt; es
hängt zunächst nur von ihrem Eigenthümer ab, wo sie sich in
jedem Augenblicke befinden sollen, und sie sind außerdenl, was
den Ort ihrer Existenz und diese letztere selbst anbetrifft, tausend
Zufälligkeiten ausgesetzt, welche auf Immobilien in dieser Art
nicht einwirken können. Hiermit steht in Verbindung, daß das
rechtliche Band zwischen einer Person und einer beweglichen Sa-
che überhaupt viel loser erscheint, als das zwischen einer Person
und einem Grundstück, und dies spricht sich dann im deutschen
Rechte selbst in der viel größer» Dispositionsfreiheit des Eigen-
thümers bei jenen Sachen aus 38). Wenn nun ein persönliches
Verhältniß zwischen dem Eigenthümer und einer andern Person,
und ein dingliches Verhältniß zwischen dem Eigenthümer und
einer beweglichen Sache concurriren; wenn eine bewegliche Sache
von einem solchen persönlichen Verhältniß gleichsam ergriffen wird,

38) Sachsensp. I. 52.

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