Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 11 (1901))

476 Ueberbau. B.G.B. § 912. Servitus altius non tollendi.
geltend gemacht. Aber der Inhalt des Eigenthumsrechts und dessen Beschränkung
durch Nachbarrechte habe nach dem Rechte beurtheilt werden müssen, das zur Zeit
der Abgabe des angefochtenen Urtheils in Geltung gewesen sei. Dem entsprechend
habe auch der V. Civilsenat des Reichsgerichts in dem Urtheil vom 19. Mai 1900
in Sachen Seher wider Dudeck, Rep. 76/1900 (Jur. Wochenschr. 1900 S. 651)
bereits angenommen, daß der aus einem Ueberbau entspringende Anspruch nach
dem jetzigen Rechte zu beurtheilen sei, sofern nicht, was hier nicht in Frage komme,
der Ueberbau bereits zum Eigenthumserwerb des Bauenden am Grund und
Boden geführt habe.
Diese Ausführung des Revisionsklägers kann nicht als richtig anerkannt
werden. Es ist nicht Anlaß, auf die Frage einzugehen, ob § 912 analog auf die
Fälle anzuwenden ist, wo der Ueberbau nur eine Grunddienstbarkeit, nicht dos
Eigenthum des Nachbarn beeinträchtigt. Denn aus der Bejahung dieser Frage
ergiebt sich nicht der vom Revisionskläger daraus gezogene Schluß, daß die Ver-
letzung eines Servilutrechts durch einen Bau immer nur als. die Ueberschreitung
einer Rechtsgrenze und darum als Ueberbau angesehen werden müsse. Der
Schluß beruht auf einer Verkennung des Rechtsbegriffs des Ueberbaues. Von
einem solchen kann nur da gesprochen werden, wo es sich um die Ueberschreitung
einer örtlich bestimmten Grenze handelt, davon kann aber nicht die Rede
sein, wo das aus der Dienstbarkeit entspringende Verbietungsrecht der Verwendung
des dienenden Grundstücks für gewisse Bauten nicht bloß jenseits einer örtlich
bestimmten Linie, sondern schlechthin entgegensteht. So liegt der Fall hier. Die
Dienstbarkeit, die dem Grundstück des Klägers zusteht, macht es unzulässig, das
dienende Grundstück für die Anlage einer Terrasse zu verwenden. Den Nachbarn
des Klägers ist also nicht eine Grenze gesetzt, bis zu der eine solche Anlage reichen
darf, sondern diese isl in ihrem ganzen Umfange unzulässig. Daraus folgt, daß
die Terrasse nicht als Ueberbau im Sinne des § 912 gelten kann. Hiernach hat
das Berufungsgericht mit Recht den Art. 184 des Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuch als. anwendbar angesehen, wonach Rechte, mit denen eine
Sache am 1. Januar 1900 belastet war, mit dem aus den bisherigen Gesetzen
sich ergebenden Inhalt fortbestehen, sofern nicht, was hier nicht in Frage kommt,
aus den Art. 192—195 des Einführungsgesetzes oder §8 1020—1028 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs sich ein Anderes ergiebt. Gegenüber Art. 184 läßt sich
auch nicht die Frage aufwerfen, ob nicht der Inhalt des Eigenthumsrechts immer
nur nach dem jetzt geltenden Recht zu bestimmen sei, aus deren Bejahung der
Revisionskläger ein Argument für die Anwendbarkeit des § 912 entnehmen will.

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